Kleinboden / Schafseck
untere Feldbatterie

Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
 
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

Fotos und Text Volker Jeschkeit / Wendl Pircher

 
Zuerst noch einmal recht herzlichen Dank an Wendl, Barbara, Lukas und 
seiner Begleiterin für die Einladung, den schönen Ausflug bei gutem 
Wetter in einer wunderbaren Berggegend!

Aufnahmen der unteren Feldbatterie und Resten der aus Naturstein 
gebauten Mun-Kasematten. Die Artilleriestellungen hatten teilweise eine 
schwache Betonausmauerung. Die Zuwegungen zu den Stellungen sind 
ausreichend für die Spur der M75/96 Geschütze mit 113cm Breite oder aber 
auch für Haubitzen 10cm/M99 mit 90cm Standardspurbreite.
Der abgerundete Betonblock über dem Eingang der Mun-Kasematte war das 
Auflager der schrägen Schutzbetonwand vor dem Eingang. Derartige 
Kasematten sind völlig neu für mich. Man betrieb einen großen 
Bauaufwand, um dann doch nur splittersichere Kasematten zu bauen. In den 
Ausrüstungsbehelfen der damaligen Zeit wurden bereits 
feldgeschützsichere oder feldhaubitzsichere Kasematten beschrieben, die 
mit  geringeren Aufwand hergestellt werden konnten. Deswegen ist die 
Ausführung dieser Kasematten im Jahre 1913 für mich ein Rätsel.
Die Ausführung dieser Kasematten war vor allem nicht wasserdicht! Weder 
Decke noch innere Mauern verhinderten die Infiltration von Wasser.
Man besserte anscheinend nach: Verfugte sauber von innen die 
Natursteinmauern, goss auf die erste Decke eine Asphaltschicht und 
schüttete eine 2. aber schwache Decke drüber.
Diese Nachbesserungsdetails sind aber nur bei den Kasematten der oberen 
Batteriestellung zu sehen.
VJ


Neue Erkenntnisse zu der Stellung Kleinboden – Schafseck

 

Der Kleinboden wurde wahrscheinlich schon sehr früh als guter Platz für eine Stellung erkannt, nach dem Bau des Werkes Gomagoi dürfte er als Flankenverteidigung gedacht gewesen sein. Allerdings glaube ich nicht dass dort vor 1913 etwas gebaut wurde. Die Festung Gomagoi reichte bis um die Jahrhundertwende als Festung aus. Nach 1900 machte die Artillerie jedoch große Fortschritte, die Geschütze wurden immer größer und stärker  und konnten nun

die älteren Festungen erfolgreich in Schutt und Asche legen. Bei den Neubauten der Festungen musste nicht nur die Werksstruktur geändert werden sondern auch der Bauort. Die Festung Gomagoi welche  als Strassersperre konzipiert war, nütze nun nichts mehr, man brauchte einen Platz der das ganze Tal beherrschte um eine neue Festung zu bauen. Diesen Platz fand man auf dem Kleinboden. Das neue Werk sollte auf dem Schafseck entstehen, mit einem Unterwerk auf Kleinboden. Zunächst wurde der Bau hinausgezögert wegen Geldmangel, jedoch wurde um 1910 dann doch ein  Neubau in Erwägung gezogen. Es sollte nur mehr ein Werk am Kleinboden entstehen, am Schafseck nur mehr eine Batteriefeldstellung. Als erstes wurde die Armierungsstrasse gebaut, welche ca. Juli 1913 fertig gestellt wurde. Nach Fertigstellung der Strasse musste man aber von Bau der Festung absehen, da dringendere Projekte Vorrang hatten. ( Hochflächen von Lavarone und Folgaria, Tonale, FS Trient)

Am Kleinboden und Schafseck wurde nur noch eine offene Batterie Stellung erbaut mit Muntitionsbunkern und Unterkünfte für die Mannschaft. Bei Kriegsbeginn im Sommer 1914 dürfte die Stellung Kleinboden nur aus der erwähnten Batteriestellung bestanden haben, zeitgleich bestand auch schon die Stellung Goldsee. Alle diese Stellungen waren nur mit älteren Geschützen bewaffnet. ( Baumuster 1875)

 

Das Jahr 1914: 

Bis zum Kriegsausbruch dürfte sich am Kleinboden nichts mehr verändert haben, die alten Geschütze blieben in Stellung. Als sich gegen Ende des Jahres 1914  sich abzeichnete das ein Krieg gegen Italien unvermeidbar wird wurden die Bauarbeiten am Kleinboden wieder aufgenommen. Die Laufgräben, Gewehrstände und Scheinwerferstände dürften alle aus dem Winter 1914 – 1915 stammen.

Der Kleinboden welcher ja eine Geschützstellung war wurde nun zu einer Feldmäßigen Frontbefestigung umgebaut. Österreich wollte Italien nicht provozieren, deshalb verzichtete es auf einen Stellungsbau direkt an der Grenze am Stilfserjoch selbst, nicht einmal an der Stellung Goldsee durfte gebaut werden. Das Heereskommando plante den Widerstand auf der Linie Kleinboden – Gomgoi – Zumpanell. Jedoch glaubte das Kommando nicht daran den Feind aufhalten zu können, deshalb wurden im Vinschgau  bei Mals und auf dem Tarscherbühel Schützengräben angelegt!

Für die Durchführung der Ausrüstungsarbeiten wurde ein Arbeiterbataillon des Ungarischen Infanterieregiments Nr. 29 ins Vinschgau verlegt. Am Kleinboden arbeitete auch eine Festungsartillerie-Reservekompanie unter dem Kommando des  Oberleutnants Hermanek.

 

Das Jahr 1915: 

Im Frühjahr 1915 als die Kriegserklärung unmittelbar bevorstand wurde am Kleinboden noch gebaut. Die Munitionsbunker wurden verstärkt, der Gedeckte Laufgraben angelegt, die Scheinwerferstände und die drei Mg Bunker.

Auch einige Unterkünfte dürften entstanden sein, jedoch sehr bescheiden.

Freiherr von Lempruch schreibt in seinem Buch vom Kleinboden:

„Die Kleinbodenalpe war schon seit 1912  militärisch okkupiert, dort gab es Schützengräben, armierte Batterien, Magazine und Unterkunftsräume.“

Auf den Kleinboden lag ab Mai 1915 der Sitz des Abschnittskommando, zugleich Bataillonskommando IV/29. Auf Goldsee eine Batterie 9cm Kanonen und als Bedienungsmannschaft eine Abteilung des Schützenbataillon Prad, der Rest des Bataillons auf Kleinboden in Reserve.

Zu dieser Zeit wurde auch das Werk Gomagoi in Kriegsmäßigen Zustand versetzt, hierzu wurden alle Gebäude in Gomagoi gesprengt um freien Ausschuss auch nach hinten zu haben, sowie die erste große Kehre und Brücke der Stilfserjochstraße gesprengt! Beide Maßnahmen rächten sich später bitter, als die Front auf das Stilfserjoch verlegt wurde.

Nachdem die Front auf das Stilfserjoch und die umliegenden Höhenzügen (von 2700  bis 3900mt) verlegt war, kehrte auf dem Kleinboden ein wenig Ruhe ein. die Reserven wurden nach Trafoi verlegt. Die Geschütze blieben aber weiter in Stellung auf dem Kleinboden, auch das Telefonnetz führte weiter hin über den Kleinboden, Geschütz- und Fernmeldemannschaften blieben auch auf Kleinboden.

 

Das Jahr 1916: 

In diesem Jahr war es sehr ruhig am Kleinboden.

„In der Nacht vom 25 auf den 26 Februar 1916 ereignete sich am Kleinboden ein schweres Lawinenunglück. Eine hauptsächlich mit Artilleristen voll belegt, massiv in Stein erbaute Baracke wurde durch die niedergehenden Schneemassen eingedrückt und Begrub unter ihren Trümmern zahlreiche schlafende Soldaten, 12 Mann konnten nur mehr als Leichen geborgen werden“

Aus dem Buch „ Der König der Deutschen Alpen und seine Helden“ von Freiherr von Lempruch, Kommandant der KuK 164. Infanteriebrigade  

Anfang Mai 1916 wurden alle Geschütze des Kleinboden und Schafseck, sowie Maschinengewehre auf die Dreisprachenspitze und den Scorluzzo in Stellung gebracht. Auch wurden die alten Festungen Gomagoi und Nauders komplett entwaffnet. Bis Mai 1916 war der Kleinboden unter Waffen!

 

Das Jahr 1917: 

Im Jahre 1917 dürfte der Kleinboden nahezu unbesetzt gewesen sein, nur das Feldtelefonnetz führte weiterhin über den Kleinboden, davon zeugt der Brand einer Signalbaracke am Schafseck im März 1917.

„ Anfang März 1917 brannte die am Schafseck oberhalb Gomgoi, 2500mt, etablierte Fernsignalbaracke zur Gänze ab, wobei mehrere kostbare Signalapparate und Instrumente zugrunde gingen, Menschenleben waren glücklicherweise nicht zu beklagen.“ (Lempruch)

Im gleichen Monat brannte auch das Granthotel Trafoi durch einen überhitzten Kamin ab. Nur wenige Tage später stand der Dachstuhl des schweizerischen Dreisprachenhotels auf dem Stilfserjoch in Flammen, ebenfalls durch einen Kaminbrand ausgelöst. Das Feuer konnte aber gelöscht werden, und der Dachstuhl wurde wieder provisorisch in Stand gesetzt. Dieses Hotel wurde nicht wie oft behauptet von Italienischen Geschützen in Brand geschossen und zerstört!

 

Das Jahr 1918: 

1918 begann so wie 1917 zu Ende ging, am Kleinboden nur mehr Signalanlagen und Fernmeldemannschaften, erst im Frühjahr 1918 kam  wieder Bewegung auf den Kleinboden. Da die Dolomitenfront im Herbst 1917 von den Italienern geräumt werden musste waren nun viele Alpinieinheiten an die Ortlerfront verlegt worden, auch schwere Geschütze gingen in Stellung und konnten nun Trafoi und Gomagoi beschießen.(21cm) Auch die Franzenshöhe wurde zerstört. In Trafoi blieb kein Haus unbeschädigt. Für Juni – Juli plante das Österreichische Oberkommando die große Tonaleoffensive „Unternehmen Lawine“. Der 164. Infanteriebrigade am Stilfserjoch war die Aufgabe zugedacht den abziehenden Feind zu verfolgen, soweit kam es aber nie. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden wurde der Personalstand im Raum Trafoi aufgestockt. Um die Soldaten unterzubringen mussten dringend neue Baracken erstellt werden, da aber Trafoi und Gomagoi unter Beschuss  lag wurde auf den Kleinboden ausgewichen. Die großen Fundamente von Baracken die man heute auf dem Kleinboden und Schafseck findet stammen vom Sommer 1918!  Ab Sommer 1918 war der Kleinboden wieder in Betrieb als

Mannschafts- und Materiallager, weitere Baracken wurden in der Umgebung gebaut, so unterhalb des Weissen Knott und des Glurnser Köpfl.

Zu Mittag des 3 November des Jahres 1918 stellte die 164 Inf. Brigade Befehlsgemäß das Feuer ein und verließ die Höhenstellungen. Die Italiener hatten aber noch keinen Befehl das Feuer einstellen und feuerten aus allen Rohren gegen die Passstrasse und Trafoi, um der Abziehenden 164. Inf. Brigade den Rückzug abzuschneiden und sie Gefangen zunehmen.* Grossteile der Mannschaften wurde aber über Goldsee nach Kleinboden dirigiert dort gesammelt zogen sie über die Armierungsstrasse über Stilfs ab.

Bei dem Abzug blieb fast alles zurück, mitgenommen wurde nur Verpflegung und die Gewehre, die Geschütze, Munition und Seilbahnen wurden so gut es ging zerstört.

In der Nacht vom 3 auf den 4 November 1918 rückten die Italiener kampflos in die Stellungen der Österreicher ein und dringen am Morgen des 4 November bis nach Prad - Lichtenberg vor, wo es zu einem Gefecht mit  Abziehenden Österreichern kommt. 

* Der  Waffenstillstand begann für Italien am 4 November 1918 um 12:00 Uhr, den Österreichischen Truppen wurde aber ein Waffenstillstand für den 3 November 1918 12:00 Uhr befohlen. Dieses sehr merkwürdige Friedensabkommen wurde von der jungen Republik Österreich mit Italien geschlossen um zu verhindern das die zurückflutenden Soldaten plündern durch Österreich zogen. Für Italien kam dieses Angebot gerade recht um zu dem großen Sieg zu gelangen den es brauchte um den Krieg Rechtzufertigen.

Offiziell spricht man von einem Versagen der Unterhändler und Missverständnissen. Die Rechnung ging auch auf, nur die komplette 164. Inf. Brigade welche die Ortlerfront hielt konnte sich rechtzeitig über Reschen Scheideck absetzen, fast alle Regimenter der alten Armee gingen in Gefangenschaft. 

 

Noch ein Buchtipp zur Front am Stilfserjoch: 

Ortlerkämpfe 1915 – 1918
Der König der Deutschen Alpen und seine Helden
Autor Helmut Golowitsch 2005  

Erstauflage 1925 von  Generalmajor Freiherrn von Lembruch  

Herrausgegeben vom Verlag „Buchdienst Südtriol“

ISBN 3-923995-28-8 

Wendl Pircher


        

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