Eine 7cm M75 Gebirgskanone
Dieses Geschütz ist wohl zu einem Mythos
geworden, das höchste Geschütz des ersten Weltkrieges, auf fast 4000mt
Höhe, auf einem schwer zugänglichen Berg.
Wenn wir aber genauer hinsehen dann sehen wir das es nicht nur eines
war, sondern ein ganze Batterie an unterschiedlichen Geschützen, welche
im laufe der Kriegsjahre auf das Ortler Gipfelplateau gezogen wurden.
Als im Mai1915 der Krieg begann, war es sehr
ruhig am Ortler, gekämpft wurde am Stilfserjoch. Auf den Ortler gingen
täglich Patrullien hoch, aber eine fixe Stellung wurde erst im Sommer
1916 errichtet, wegen der extremen Verhältisse als Kaverne im Eis.
Da man von „oben“ eine gute Sicht auf den
Thurwieser, Eiswand und Zebrú hatte,
wurde daran gedacht ein kleines Gebirgsgeschütz
in Stellung zu bringen.
Doch es wurden dann gleich 2 ältere 7cm M99 Gebirgskanonen auf
den Ortler geschafft. Diese kleinen Kanonen wurden zerlegt und die
Einzelteile über die Hohe Eisrinne von Trafoi aus hochgezogen. Heute
wird die Eisrinne als Winter Skitouren zum Ortler begangen.
Die beiden Geschütze wurden am Ortler Vorgipfel
in in Stellung gebracht,
eines (ohne Schutzschild) feuerte gegen die ital. Stellungen am Ortler Hochjochgrat, das 2. stand etwas
tiefer (mit Schild) und schoss gegen Ortlerpass und Thurwieser.
Die Geschütze stand erst offen, wurden aber bald in Schneekavernen
gestellt. In Folge wurden noch 2 stück 8cm Kannonen über das
Ortlerplatt gezogen, diese wurden aber weiter unten am Pleißhorn in
Stellunge gebracht. Die Baracke dieser Batterie ist heute noch oberhalb
vom Berglgrat zu sehen.(Meranerweg)
7cm M75 mit Schutzschild am Ortler
1917 sollte die "Feuerkraft" des Ortlers
erhöht werden, nun war auch die Königsspitze selber zur Front geworden,
diese war mit den 7cm Kannonen nicht zu erreichen, nun
brauchte es schweres Gerät,
aber die waren nicht so leicht zu finden, nur noch zwei noch
ältere 9cm Kanonen Baumuster 1875 konnten gefunden werden, wie
üblich in den Kellern der FS Trient. Der Transport der 9cm Geschütze
wurde diesmal aber von Sulden aus angegangen. Mit der Vinschger Bahn
nach Spondinig, von dort per LKW nach Sulden.
Dort wurden sie zerlegt und mit der neuen
Schwerlast Seilbahn zur Payerhütte befördert.
Zwar war die Payerbahn sehr stabil, aber das Gewicht der Rohre
stelle doch eine enorme Belastung für die Seile dar. Die Lasten sollen
extrem weit durchgehangen haben, die Spanngewichte wurden ganz
hochgezogen, aber es glückte und die Teile befanden sich dann doch noch
alle auf der Payerhütte auf 3000mt. Bis hier ging alles noch sehr gut,
aber jetzt war „Fußarbeit“ angesagt.
Zwar gab es inzwischen auch bis zum Gipfel eine
Seilbahn, die aber konnte nur kleine Lasten befördern, für den
Geschütztransport war die Bahn nicht zu gebrauchen.
Der Transport der beiden Rohre kam nicht weit,
bei der Querung unterhalb der Tabarettaspitze stürzten beide Rohre ab
und lagen nun weit unterhalb der Payerhütte auf Trafoierseite im
Schnee. Hier kam nun der Herresbergführer Franz Haller aus Meran zum
Einsatz, der dann den Transport erfolgreich zur
Ortlerspitze leitete.
9cm M75 Feldkanone am Ortlerp, der Ortlergipfel mit Fahnenmast im Hintergrund.
)
Rohr Transport der 9cm M75 Feldkanone
Nachlesen kann man die Geschichte im Buch
„Ortlerkämpfe 1915 – 1918“ von Helmut Golowitsch erschienen im Verlag
Kienesberger.
Nun waren also schon 4 Geschütze am Ortler, auch
von den beiden 9cm Kanonen gibt es Bilder, auch von Transport und
Aufbau.
Ende 1917 war eine richtige kleine Festung im
Gipfeleis des Ortlers, mit Geschütz- und Mg Kavernen, Granatwerfern,
Telefon und Seilbahnverbindung und auch ein Fotolabor, wo die Bilder der
Fernbildkameras entwickelt werden konnten.
Unklar
ist bis heute der Sommer 1918, nach der ital. Niederlage bei Caporetto
(12te Isonzoschlacht) standen nun auch für die Ortlerfront moderne
Geschütze zur Verfügung und für das Unternehmen "Lawine" wurde nun auch
die Stilfserjochfront massiv mit neuen Geschützen aufgerüstet,
bis dahin gab es an der Ortlerfront nur die
alten Geschütze ohne Rohrrücklauf!
Leider sind diese Geschütztransport kaum mehr dokumentiert, nur das der Ortler mit neuen Haubitzen ausgerüstet wurde.
Im Grossraum Stilfserjoch wurden 1918 sehr viele neue Geschütze in Stellung gebracht, jedoch
gibt es kaum Bilder oder Unterlagen aus dieser Zeit, nichts was auf
diesen Geschütztyp verweist. Dass Sie vorhanden waren wissen wir durch Funde welche aus dem Eis kamen,
eine Skoda 100M16 wurde am Langferner unterhalb der ehem. Hallischen
Hütte (Eisseepass) von Konrad Knoll (Sulden) gefunden und
die Reste eine 75M15 wurden unterhalb des Ortlerpasses
gefunden. Es könnte möglich sein das diese 75er vom Ortler herunterkam,
sie ist total zertrümmert und das Geschützrohr selber fehlt.
Fassen wir also zusammen:
1916 werden 2 7cm M99 (Baumuster 1899) über die
Hohe Eisrinne auf den Ortler gebracht, 1916 folgen noch 2 8cm Haubitzen, auf dem gleichen Weg, werden jedoch am untersen Rand des
oberen Ortlerfernes (Ortlerplatt) am Pleißhorn in Stellung gebrachr.
1917 folgen von Sulden aus über den heutigen
Normalweg (Alpinskala III )zwei 9cm M75
(B.M.1875) auf den Gipfel des Ortlers. Nur
vermuten kann man das 1918 nochmals moderne Geschütze auf das
Ortlerplatt kommen. Bei Kriegsende verblieben mindestens 4 Stück am
Ortlerplatt, zwei Stück 7M99 und zwei 9M75 und vielleicht aber auch die
moderne Skoda Haubitze 75M15 welche dann zertrümmert am Ortlerpass
gefunden wurde.
Auf den folgenden Bildern ist die Skoda 100M16
zu sehen welche von Konrad Knoll am Eisseepass geborgen wurde und von
ihm hervorragend restauriert wurde. Das Geschütz kann im Heimatmuseum in
Sulden (bei der Schule) besichtigt werden.
Es gibt übrigens nur sehr wenige so gut original
erhaltene 100M16, die meisten wurden später auf neue Lafetten mit
Vollgummirädern umgerüstet und im WK2 verwendet,
in den 50er Jahren wurden noch viele 100M16 auf
moderne Spreizlafetten umgebaut, diesmal mit Luftbereifung. Die letzten
100M16 wurden erst in den 90er Jahren vom ital. Heer ausgemustert!
Danach sind noch die Bilder von den Resten der
75M15 vom Ortlerpass.
Das Geschütz ist sehr zertrümmert, das Rohr
fehlt, zu sehen ist das Rohr vom Rückholdämpfer, die Dämpfer und Teile
der Höhenrichtmaschine.
Das Geschütz befindet sich in Trafoi in
Privatbesitz.
Bilder vom Geschütztransport auf den Ortler
Information zum Gebrigsgeschütz 7cm M75
Interessant die Lafette aus Metall (zweigeteilt; hinten Gußstahl, vorne
die zähere Bronze) und die Räder aus Holz. Es sind kräftige Räder wie bei
Lastfuhrwerken, mit Stahlreifen bewehrt.
Dieser Hinterlader schoß nicht wesentlich schneller als ein Vorderlader,
da kein Rohrrücklauf-Mechanismus vorhanden war und daher die ganze Kanone
bei jedem Schuß durch den Rückstoß etwas aus der Bahn gehoben wurde und
dann neu gerichtet werden mußte. Aber im Hochgebirgskrieg mit den enormen
Nachschubproblemen spielte das keine Rolle, da ohnehin mit der Munition
gegeizt werden mußte. Sehr vorteilhaft war vor allem im Gebirgseinsatz
aber das durch das Fehlen des Rohrrücklauf-Mechanismusses wesentlich
geringere Gewicht.
Kartätschen waren nur im Nahkampf sinnvoll (der gezogene Lauf führte durch
seinen Drall zu einer unerwünschten Fliehkraft und die Garbe wanderte
ringförmig nach außen. Auf mehr als 200 Schritt traf man daher überall
hin, nur nicht dorthin, wohin man zielte) – zur Sturmabwehr waren
Splitter-Handgranaten eigentlich weit effektiver.
Die Sprenggranate mit AZ war die Hauptmunition. Tödlicher Radius 50
Schritt wenn auf hartem Boden getroffen wurde. Und im Hochgebirge ist
immer harter Geröllboden. Bei einem Treffer in 2 bis 20 Meter Höhe auf
einen senkrechten Felsen war die Splitterwirkung vernichtend.
Mit tempierten Granaten wurde fast keine Wirkung erzielt; viel zu
schwierig die Entfernungsschätzung (es muß ja die wahre Flugentfernung bei
gekrümmter Flugbahn geschätzt werden und nicht die gerade Linie) und
außerdem war die Zeiteinstellung (Tempierung) nicht präzise genug. Mehr
Erfolg versprach da meist das Schrapnell, allerdings nur dann, wenn der
Feind nicht hinter einer Deckung (großer Felsen) lag.
Wie dem auch sei. Das Ortler-Geschütz war wirkungsvoller als ein
Maschinengewehr (mit dem im direkten Richten auch nur 1300 Schritt weit
getroffen wurde – ausgenommen Flächenziele, aber die waren im Gebirgskampf
selten).
Ein Schutzschild war unnötig, da immer von überhöhten Stellungen
(Kammstellungen) geschossen wurde. Somit war das Geschütz von unten nicht
angreifbar.
Selbstverständlich bedurfte so ein Geschütz einer Bedeckung.
10 Mann mit Repetiergewehr M 95 und 50 Splitter-Handgranaten (zur
Sturmabwehr) und ein etwas abseits liegendes Maschinengewehr (das auch
flankierend eingesetzt werden konnte) erhöhte den Wert der
Geschützstellung erheblich. War dann uneinnehmbar. Idealerweise kam noch
ein Zielfernrohrgewehr (Mannlicher-Schönauer 6,5 mm mit Ziel 3 und
verstellbarem Absehen bis 400 m) dazu – dann war die Stellung perfekt.
Ein oder zwei Selbstladepistolen oder notfalls Revolver und – vielleicht –
eine oder zwei Maschinenpistolen. Dazu noch zwei Wachhunde, die auch
Lawinenhunde waren. Einer davon wurde in der Nacht als Meldehund
verwendet.
So eine kleine Kammstellung war extrem stark.
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