" Werk Lusern "

Kriegstagebuch  des Werkskommandanten 

Entnommen aus dem Roman  
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

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Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist
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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

Die erste Beschussperiode (24. Mai bis 22. J uli 1915)  


Die Traditorenbatterie während der Beschussperiode


rechter Kanpfgraben, hinten ist der Kontereskarpenkoffer zu sehen


linker Kampfgraben

 

24. Mai 1915  

Erster Beschußtag mit 14,9 cm-Kalibern.  

 

25. Mai 1915  

Erster schwerer Beschuß mit 28 cm-Kalibern. Außerdem schwächerer Beschuß mit 21 cm- und 14,9 cm-Kalibern.  

Völliges Versagen der Werksventilation der Be- und Entlüftung. Die ersten Depressionserscheinungen des Werkskommandanten Oberleutnant Nebesar, welche sich auf seine Offiziere und die Besatzung übertragen.  

Decke im Batteriegang wurde abgeblättert . 2. und 3. Turmhaubitze Volltreffer. Telephonverbindung „zeitweise“ unterbrochen. 8 Uhr nachm: „Verle“ und „Lusern“ melden, daß sie ich nur sehr schwer halten können. 
11 Uhr 30 nachm.: 180. Brigadekommando befiehlt, Werk teilweise zu räumen.

  Der Erbauer hatte mit Recht vielfach im Inneren des Werkes, das ja aus dem gewachsenen Fels herausgeschnitten war, die blanke Felswand stehen lassen, um der Besatzung Vertrauen in die eigene Widerstandskraft zu geben. „Kommißköpfe“ und „Schönheitsfanatiker“ hielten es für nötig, diese Felswände durch Bewurf von Betonmörtel und Kalkanstrich zu verschönern, um sie kasernenmäßiger erscheinen zu lassen. Die erste starke Beschießung bewirkte, dass durch die ungeheuren Erschütterungen alle diese „schönen Dinge“ als Trümmer herunterfielen. Es machte natürlich den schlimmsten Eindruck auf die Besatzung und rief bei manchem Weltuntergangsstimmung hervor. Das hat fraglos mit dazu beigetragen, dass der erste Kommandant am dritten Beschießungstage die weiße Flagge hissen und das Werk nach flüchtiger Zerstörung räumen ließ (J.H.Schaufler in „Österreichische Panzerwerke unter schwerstem Feuer“ in Wilhelm Nußstein: „Militärgeschichtlicher Reiseführer Dolomiten“ S. 73.)

 

26. Mai 1915  

Verstärkter Beschuß mit 28 cm-Kalibern.  

Grundlose Befürchtungen des Werkskommandanten wegen einer möglichen Explosion des Benzindepots und (eines) damit verbundenen Untergangs des Werkes „Lusern“. Völliges Versagen des Werkskommandanten und des Großteils seiner Offiziere. Der Werkskommandant geht mit schlechtestem Beispiel von Angst und Pflichtvergessenheit gegenüber seinen Offizieren und (der) Besatzung voran.  

 

27. Mai 1915  

Schwerster Dauerbeschuß mit 28 cm-Kalibern.  

Falsche Lage- und Werkssituationsmeldung an das vorgesetzte Sperrkommando Oberst Terboglav über Beschußschäden an Beton und Panzern, verbunden mit der Unmöglichkeit, länger im Werk „Lusern“ ausharren zu können. Das Sperrkommando gibt, ohne sich vorher über die Richtigkeit der gemachten Meldungen von der Situation im Werk „Lusern“ zu überzeugen, seine Zustimmung zur Räumung des Werks „Lusern“. Vorübergehendes Ausweichen der Besatzung während der Nachtstunden auf Befehl des Werkskommandanten in die beiden Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“.  

 

28. Mai 1915  

Dauerbeschuß mit 28 cm-Kalibern. Weitere falsche Meldungen an das Sperrkommando, daß ein Verbleib weiter im Werk unmöglich erscheint. Die Decke des Batterieverbindungsganges wird durchschlagen, was nun Anlaß zur endgültigen Räumung des Werks „Lusern“ ist. Die einberufene Offiziersbesprechung stimmt dem Vorschlag des Werkskommandanten Oberleutnant Nebesar, Werk „Lusern“ zur räumen, mit Ausnahme des Leutnants Singer, (Vermutlich einer der beiden Offiziere der Infanteriebesatzung) einstimmig zu mit der Begründung, daß das Werk jeden Augenblick in die Luft fliegen kann. Gegen 17 Uhr abends werden weiße Fahnen zum Zwecke der Übergabe gehißt und das Werk restlos geräumt. Vergebliche Vorstellungen des Leutnants Singer und der beiden Fähnriche Deutschmann und Wolfrum, mit Freiwilligen im Werk bleiben zu dürfen. (Sie werden) vom Werkskommandanten mit der Begründung abgelehnt, daß das Sperrkommando die Räumung befohlen hat.  

Die Werke „Verle“ und „Gschwent“ legen, nachdem diese die weißen Fahnen erkannt haben, Sperrfeuer auf die Glacis des Werkes „Lusern“ und verhindern eine Besitznahme durch die Italiener. (Zu dem Zeitpunkt, als auf dem Werk „Lusern“ weiße Fahnen gehisst wurden, hat es keinerlei Aktionen der italienischen Infanterie gegeben (Gianni Pieropan: „1915 - Obiettivo Trento“, S. 140)

Auszug aus den Protokollen der späteren gerichtlichen Untersuchung:  

Lusern meldet, daß nur eine Turmhaubitze kampffähig (ist). (Um) 4 Uhr nachmittags meldet Nebesar dem Sperrkommando, daß die Besatzung dem Ersticken nahe ist, da selbst ein Zündholz infolge verpesteter Luft nicht mehr brenne und mehrere Ohnmachtsfälle konstatiert wurden. Schon während der Beschießung der früheren Tage wurde Nebesar nahegelegt, das Werk zeitweise zu verlassen, um Ruhe zu genießen und Luft zu schöpfen. Er beantwortete stets diese Mahnung mit dem festen Entschluß, im Werk zu bleiben und persönlich das Kommando zu führen. Der Werksarzt sagte, daß die Luft besonders am 2. und 4. Tag schlecht war. Am 4. Tag war der Aufenthalt in den oberen Teilen des Werkes fast unmöglich, am Nachmittag ausgeschlossen.  

 

29. Mai 1915  

Wiederbesetzung des Werks „Lusern“ in den Morgenstunden des 29. Mai. Leutnant Singer (ist) provisorischer Kommandant des Werkes „Lusern“; zugeteilt (sind) die Fähnriche Wolfrum und Deutschmann. Bericht des Leutnants Singer über die tatsächlichen, verhältnismäßig geringen Beschußschäden des Werks „Lusern“.

  Zwischen dem 25. und 28. Mai 1915 sind auf das Werk „Lusern“ 1.300 Schüsse aus schweren Geschützen abgefeuert worden, nämlich 700 28 cm- und 600 14,9 cm-Granaten. Davon waren 524 Werks-, 320 Beton- und 4 Panzertreffer. 
Diese 320 Betontreffer erzielten keinen Deckendurchschlag. Lediglich im Batteriegang fand bei der Turmhaubitze Nr. III ein Betonabfall (ca. 0,75 cbm) von der inneren Gewölbelaibung statt. Durch die Auftreffwucht und Explosionswirkung mehrerer 28 cm-Bomben auf der gleichen Stelle wurde das Löslösen des Betonkörpers verursacht.
An den Panzern erhielt die Turmhaubitze I am 25. Mai 1915 einen Vorpanzertreffer, welcher die Drehfähigkeit der Kuppel vorübergehend aufhob. Ebenso wurde der linke drehbare Maschinengewehr- und Beobachtungsstand  getroffen, und seine Mobilität ebenfalls vorübergehend beeinträchtigt.
Am 27. Mai 1915 wurde die Panzerkuppel der Turmhaubitze II, ohne jedweden Schaden anzurichten, getroffen; ebenso der fixe Maschinengewehr-Panzer mit dem Streifschuss einer 28 cm-Bombe.
Kein Panzer war zerstört oder unbrauchbar geworden, da die bei den beiden erstgenannten Treffern entstandenen Schäden in wenigen Tagen behoben werden konnten. Im Werksinneren selbst waren überhaupt keine Schäden entstanden außer dem Betonabfall im Batteriegang. Allerdings hatte die eingebaute Werksventilation versagt, da der Rohrquerschnitte zu klein, die Ventilatoren zu schwach und die Luftansaugöffnungen schlecht angelegt waren. Die Luft war bei den dauernd geschlossenen Fensterstahlblenden schlecht und rief bei manchen Leuten Unwohlsein und Erbrechen hervor.
Von den vier Turmhaubitzen waren drei voll mobil, die vierte beschränkt verwendbar. Weiter waren beide 8 cm-Minimalschartenkanonen sowie die beiden 6 cm-Grabengeschütze und alle Maschinengewehre voll verwendungsfähig. Ebenso arbeitete die Kraftzentrale für Licht und Strom ohne jedwede Störung.
Alle Äußerungen über geborstene Decken und Mauern sowie zerstörte Panzer und Löcher in der Werksdecke waren bewusste Unwahrheiten, wie von der Geniestabsabteilung der 180. Infanteriebrigade (Major im Geniestab Hugo Hartmann) am 29. Mai 1915 protokollarisch festgestellt worden war.

 

 

30. Mai 1915  

Weiterer schwerster 28 cm-Beschuß des Werks „Lusern“. Aufräumungsarbeiten und Instandsetzungsarbeiten der durch die Werksbesatzung vor deren Abzug angerichteten Schäden und Vandalismus.
Die abziehende Besatzung hatte die Geschützverschlüsse in die Wasserzisternen geworfen, die Schalttafeln im Maschinenraum zerschlagen und die Wasserjacken der Maschinengewehre durchlöchert. (Luis Trenker: „Sperrfort Rocca Alta“ S. 138)
 Der ehemalige Werkskommandant Oberleutnant Nebesar und seine pflichtvergessenen Offiziere kommen vor das Kriegsgericht. Der Sperrkommandant Oberst Terboglav (wird) sofort in den Ruhestand versetzt und pensioniert.  

 

 

31. Mai 1915  

Dauerbeschuß mit 28 cm-Kalibern. Die Turmhaubitzen und Traditorkanonen wie der Großteil der Maschinengewehre (sind) wieder einsatzfähig und feuerbereit. Artilleristische Unterstützung bei dem großen Feindangriff mit erdrückender Übermacht im Raum Cima di Vezzena-Verle-Basson  

Die ersten Reparaturarbeiten auf der Werksdecke. Die Werksstraße (ist) durch den Beschuß zerstört. Schwere Schäden an der Wasserversorgung des Werks „Lusern“.  

Feindlicher Munitionsaufwand beim Beschuß auf „Lusern“ im Mai 1915.  
    Eigener Munitionsverbrauch im Mai 1915.  
    Eigene Verluste der Werksbesatzung im Mai 1915.
 

 

1. Juni 1915  

Kein Feindbeschuß. Der neue Gruppenkommandant (ist) Oberst im Geniestab Ellison Freiherr von Nidleff. Der neue Geniereferent für den Abschnitt Lavarone-Folgaria (ist) Ingenieur Hauptmann Schneider des Geniestabs, welchem die ganze technische Abwehr beider Frontabschnitte untersteht. Neuer Werkskommandant (ist) Oberleutnant Schaufler.  

 

3. bis 7. Juni 1915  

Nur schwacher 28 cm-Beschuß. Reparaturen an den Werksdecken, Hindernissen und (der) zerschossenen Wasserleitung. Vorbereitungen für den Bau einer Felspoterne in das Hintergelände des Werks „Lusern“ als Ersatz für die unbrauchbar gewordene Werksstraße. In den folgenden Tagen nur zeitweiser, schwächerer 28 cm-Beschuß. Beginn mit dem Stollenbau und sachgemäßer Reparaturen auf den Werksdecken. Ankunft des Skodamonteurs, um die Schäden an den Drehpanzern zu beheben.



8. Juni 1915  

Alle vier Turmhaubitzen sind wieder voll einsatzfähig.  

 

9. Juni 1915  

Schwere Verluste unter den Landsturmarbeitern bei der Versorgung des Werks „Lusern“. Die Totengruft des Werks „Lusern“ erweist sich als viel zu klein, um die anfallenden Toten unterzubringen, deren Abtransport infolge Feindbeschusses zeitweise nicht möglich ist. Alle Verwundeten konnten endlich abgeschoben werden. Die Stimmung der Werksbesatzung ist einmalig gut. Ein Fortifikationswerkmeister trifft zur Unterstützung des Werks ein. Schwierige Unterbringungs- und Belagsverhältnisse im Werk.  


Kehlseite

   

11. Juni 1915  

Wieder schwerster 28 cm-Beschuß. Schwere Schäden der Werksdecken und Treffer auf die Panzerung der Turmhaubitze Nr. III. Der Frontgraben (ist) bereits ein bis zwei Meter hoch verschüttet.

 

12. bis 16. Juni 1915  

Fortdauer des schweren 28 cm-Beschusses, ebenso der beiden Nahkampfwerke „Viaz“ und „Oberwiesen“. Tätigkeit der Werksbesatzung: Betonieren, betonieren! Verstärkung der Ringgalerien der Vorpanzer der 10 cm-Turmhaubitzen, da sich diese als viel zu schwach und zu wenig tief einreichend erwiesen hatten.  

 

17. Juni 1915  

Wieder schwerer 28 cm-Beschuß. Schwere Schäden an den Werksdecken und den Drehpanzern. Der Skodamonteur erweist sich als ein unentbehrlicher Helfer in der Not für Werk „Lusern“. Der Frontgraben (ist) stellenweise in seinem Profil bis zur Hälfte verschüttet.  

 

19. bis 21. Juni 1915  

Betonieren, betonieren ist die Tageslosung der Werksbesatzung. Infolge schlechten Wetters kein Feindbeschuß.  

Unser Rechnungsunteroffizier Macek (ist) die Mutter der Werksbesatzung.

   

22. bis 23. Juni 1915  

Wieder schwerer 28 cm-Beschuß. Der Ausbau des Versorgungsstollens macht gute, rasche Baufortschritte.

 

24. bis 28. Juni 1915  

Nur schwacher 28 cm-Beschuß. Weitere Beton- und Panzerschäden der vier Turmhaubitzen. Die unangenehme italienischen 7 cm-Gebirgsbatterien auf Costesin und Marcai. Eine deutsche 15 cm-Haubitzbatterie hat auf der Cost’Alta Stellung bezogen.

   

29. Juni 1915  

Alle Dreh- und Fixpanzer mit deren Bestückung (sind) wieder voll einsatzfähig. Schwere 28 cm-Beschuß, auch auf die beiden Nahkampfwerke „Viaz“ und „Oberwiesen“.  

 

30. Juni 1915  

Kein Beschuß mit 28 cm-Kalibern.  
    Feindlicher Munitionsaufwand beim Beschuß von „Lusern“ im Juni 1915.  
    Eigener Munitionsverbrauch der Werksartillerie im Juni 1915.  
   
Verluste der Werksbesatzung im Juni 1915  

 

1. bis 15. J uli 1915  

Kein Beschuß mit 28 cm-Kalibern. Laufende Reparaturarbeiten der Werksbesatzung an Beton und Panzern. Das Verbot des Landesverteidigungskommandos: „Sparen mit der Munition, da Ersatz verbrauchter Bestände nicht sichergestellt werden kann.“ Inspizierung des Werks „Lusern“ durch den Generalgenie-Inspektor Blenesi.

   

16. J uli 1915  

Schwere 28 cm-Beschuß des Werkes „Lusern“ und der beiden Nahkampfwerke „Viaz“ und „Oberwiesen“. Auftreten alter Munition des Kalibers 28 cm. Geschosse aus Gußeisen, und (sie) stammen aus dem (Jahre) 1880! Keine besonderen Schäden beim Beschuß mit alter Munition.

 

17. bis 31. J uli 1915  

Kein Feindbeschuß mit 28 cm-Kalibern. Die vorgesehenen Deckenverstärkungen durch Aufbringung einer Zerschellschicht auf den Werksdecken (ist abgeschlossen). Verschiedene Besuche hoher und höchster Offiziere. Reparaturen an den Drehpanzern durch den Skodamonteur.  Ausräumen  des  Frontgrabens  von Fels- und Betontrümmern. Neuherstellung aller zerstörten Hindernisse. Dekorierung der Werksoffiziere und der verdienten Mannschaften durch Oberst Ellison.

 

Die zweite Beschußperiode 
(15. August bis 31. Oktober 1915)

 

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