Unsere
vier 10 cm-Turmhaubitzen versuchen, die 14,9 cm-Batterie bei Osteria del
Termine kampfunfähig zu machen, was scheinbar teilweise gelungen ist,
da die Batterie nachmittags nur mehr mit zwei Geschützen weiterfeuert.
Starke Rauchentwicklung ließ einen Treffer in der Bereitschaftsmunition
vermuten.
Wir
erhielten von unserem Brigadier, Generalmajor Edler von Verdroß,
telephonische Belobigung für unser tapferes Ausharren im heutigen
schweren Beschuß.
Um
10 Uhr abends Alarm, da ein Feindangriff auf den Stützpunkt Basson
erwartet wurde, da dieser den ganzen Tag über von den Gebirgsbatterien
auf Marcai und Costesin beschossen wurde. Unser Nachbarwerk „Verle“
und wir gaben einige Lagen Granatschrapnells in das Vorfeld des Basson
ab und vertrieben vortastende Feindpatrouillen, die versuchten, sich dem
Basson zu nähern.
Alle
Mann (sind) derzeit im Einsatz auf der Werksdecke beim Zuschütten der vielen,
allerdings nicht tiefen Sprengtrichter. Auch wird versucht, so gut wie möglich
die angerichteten Betonschäden bei den Vorpanzern mit Beton
auszubessern.
Verluste
heute: 3 Verwundete.
18.
August 1915
Feindbeschuß
in gleicher Stärke wie gestern mit ca. 150 Schuß Kaliber 28 cm. Auch
die 14,9 cm-Batterien unterhielten ein sehr lebhaftes Feuer auf das Werk
den ganzen Tag über bis in die Nachtstunden.
Trotz
der überwältigenden Feuerintensivität wird kein Dreh- oder Fixpanzer
getroffen. Auch kein Deckendurchschlag wird trotz der 80 Deckentreffer
erzielt. Die Auflage der Drahtschanzkörbe ist allerdings sehr stark
durcheinandergeworfen, zerzaust und zerfetzt, aber bis jetzt hat sie
sich glänzend bewährt. Außer dem Zufallstreffer in die Abortanlage
auch heute kein Durchschlag durch die Werksdecke. Schwer in
Mitleidenschaft (gezogen) ist
die Werkgrabenanlage in deren beiden Ausläufen. Stellenweise liegt der
Schutt bis zwei Meter hoch durch abgesprengtes Fels- und Betonmaterial
der Eskarpe und (der)
Kontereskarpe.
Durch
einige Einschläge unmittelbar vor dem linken drehbaren
Beobachtungspanzer ist dieser derzeit vollkommen verschüttet und nicht
sichtbar. Die Panzerdecke unseres Scheinwerferhangars auf der Werksdecke
wurde in den Abendstunden glatt durchschlagen, der Projektor demoliert
und die sich dort aufhaltende Bedienungsmannschaft, ein Unteroffizier
und sechs Mann, getötet und unter den Trümmern begraben.
Um
zu erkunden, wie es in unserem Vorfeld aussieht, gehen heute Nacht zwei
Patrouillen zu je acht Mann, eine von unserem Werkskommandanten geführt,
nach vorn ins Niemandsland. Von den Drahthindernissen sind nur mehr
Fragmente vorhanden und bilden kaum noch ein Hindernis, so daß eine Annäherung
bis zu Kontereskarpe des Frontgrabens feindlicherseits jederzeit möglich
ist. Wir richten an den beiden Grabenausläufen provisorische
Infanteriestellungen her, die bei Nacht mit Maschinengewehren besetzt
sind, um uns vor Überfällen feindlicher Sprengpatrouillen zu sichern.
In den Morgenstunden werden diese wieder eingezogen.
Am
Felsstollen wird pausenlos gearbeitet, und wir hoffen, wenn alles gut
geht, in ca. acht Tagen beide Stollenvortriebe zu vereinen.
Merkwürdigerweise
ist der Beschuß bei Nacht kaum der Rede wert, so daß es möglich ist,
unter dem Einsatz der ganzen Werksbesatzung die notwendigsten
Reparaturen auszuführen. Betonieren und Sprengtrichter zuschütten ist
unsere tägliche Losung. Die Raumluft im Werk (war)
heute wieder zeitweise die denkbar schlechteste. Unsere Küchenmannschaften
leisten aber trotzdem Vorbildliches. In der Küche sind Temperaturen von
50 0 Celsius und mehr. Ähnlich geht es dem
Bedienungspersonal unserer Kraftzentrale, das unermüdlich auf seinem
Posten ausharrt, um uns mit Licht und Kraftstrom zu versorgen, damit vor
allem unsere beiden Kompressoren in den Felsstollen weiterarbeiten können.
Licht-
und Stromkabel zum Wasserschloß und (zum)
Pumpwerk der Wasserversorgung auf „Viaz“ (wurde)
heute an drei Stellen zerschossen. Kein Wasserzufluß in die
Werkszisterne. Auch die telephonische Verbindung mit dem Gruppenkommando
(wurde) zweimal unterbrochen.
Reparaturarbeiten (sind)
derzeit im Gange.
Verluste
heute: Sechs Tote und drei Verwundete.
19.
August 1915
Noch
stärkerer 28 cm-Beschuß als gestern. Feuer seit 6 Uhr früh, dauernd
in Zweischußlagen bis 6 Uhr abends. Die 14,9 cm-Batterie auf Osteria
del Termine feuert ca. 80 Schuß auf Werk „Lusern“, aber nur mit
zwei Geschützen! Scheinbar hat unser vorgestriges 10 cm-Haubitzfeuer
doch Erfolg gehabt. Wenn wir nicht so mit den vorhandenen Munitionsbeständen
sparen müßten, könnten wir uns besser wehren und brächten nicht
immer der Amboß sein, auf welchen unser Gegner pausenlos seine
wuchtigen Schläge niedersausen läßt.
Die
Eskarpe im Frontgraben unterhalb des fixen Maschinengewehrpanzers wird
wiederholt an der gleichen Stelle getroffen und ein ca. 20 cbm großer
Betonblock abgesprengt, der das Grabenprofil nahezu zur Hälfte einengt.
Werk
„Lusern“ erhält bis in den Abendstunden 94 Betontreffer, ohne einen
Deckendurchschlag zu erzielen. Die Decke oberhalb der 8
cm-Traditorenbatterie weist einen Sprengtrichter von über 5 m
Durchmesser am oberen Trichterrand auf, bei einer Tiefe von knapp 2 m.
Die Drahtschanzkörbe sind an dieser Stelle weggefegt, ebenso die
Kordonmauer, die gegen das Abrutschen der Schanzmauer errichtet wurde.
Beide Scharten der 8 cm-Tradito-renkanonen sind total verschüttet und müssen
im Laufe der Nacht freigelegt werden. Derzeit
(sind) alle Mann im Einsatz auf den Werksdecken.
Um
½ 5 Uhr nachmittags wurde der rechte drehbare Beobachtungspanzer knapp
unterhalb der Ringfuge getroffen. (Das)
Geschoß drang ca. 11 cm tief in den Panzer ein. Durch abgeschrägtes
Panzermaterial an der Einschlagstelle (ist)
die Kuppel nicht drehbar. (Der)
Skodamonteur (wurde) mit der
Behebung des Schadens beauftragt.
Wieder
wurden die Stromkabel zum Wasserschloß „Viaz“ heute durchschossen. (Die) Pumpen stehen deshalb still, und (es) erfolgt kein Wasserzufluß in die Werkszisterne.
Beide
Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“ wurden die Tage nicht
beschossen.
Auf
direkten Befehl unseres Gruppenkommandanten feuern wir mit den 10 cm
Turm-Haubitzen auf die Gebirgsbatterie auf Marcai, welche ihr Feuer
einstellt. Munitionsverbrauch je 25 Granaten und Granatschrapnells.
Infolge Verschüttung der Panzerscharten konnten die beiden 8 cm
Minimalschartenkanonen sich am Feuerüberfall nicht beteiligen.
Verluste
heute: Vier Verwundete bei den Arbeiten am Verdeck durch einen Feuerüberfall
der Marcaibatterie.
20.
August 1915
Infolge
unsichtigem Wetter und zeitweise starken Nebels nur schwacher
28 cm Beschuß. Es wurden in der Zeit von 6 Uhr früh bis 11 Uhr mittags
ca. 40 Schüsse Kaliber 28 cm und nur 20 Schuß Kaliber 14,9 cm auf Werk
„Lusern“ abgegeben. Kein Beschuß der Gebirgsbatterien auf Marcai
und Costesin.
Der
rechte drehbare Beobachtungspanzer, der bereits gestern getroffen wurde,
erhielt infolge des zerschossenen Vorbetons einen Treffer auf den
Vorpanzer knapp unterhalb der Ringfuge. (Das)
Geschoß schlug zwar nicht durch, aber der Panzer (ist)
an der Aufschlagstelle stark eingebeult und (hat)
einen ca. 11 cm langen Riß.
Der
fixe Beobachtungs- und Maschinengewehrpanzer steht auf dessen rechter
Seite buchstäblich nur mehr auf seinen Ankerschrauben, da der Vorbeton
abrasiert ist.
Oberst
Ellison und Hauptmann Schneider besuchten in den Nachmittagsstunden
unser Werk. Infolge nahezu vollkommener Feuerstille und starken Nebels
wurden die angerichteten Schäden der letzten Beschußtage eingehendst
besichtigt und alles darangesetzt, beim fixen Maschinengewehrpanzer den
Vorbeton halbwegs zu erneuern.
Mit
der Reparatur am drehbaren rechten Beobachtungspanzer ist der
Skodamonteur beschäftigt.
Alle
vier 10 cm-Turmhaubitzen und beide 8 cm-Minimalschartenkanonen sowie
alle Maschinengewehre (sind)
unbeschädigt und feuerbereit.
Die
beiden 8 cm-Minimalschartenkanonen gaben um 7 Uhr abends 20 Schuß
Granatschrapnells auf Costesin ab, da dort starke Bewegung festgestellt
wurde.
(Das)
Stromkabel zum Pumpwerk wird repariert, und die Wasserzisterne wird
wieder aufgefüllt, da diese infolge des vielen Wasserbedarfs beim
Betonieren nahezu zur Hälfte bereits entleert war.
Heute
keine Verluste.
Unser
Betondecken erhielten heute 12 Einschläge, ohne größeren Schade
anzurichten. Der riesige Sprengtrichter oberhalb der Traditorenbatterie
wurde gestern Nacht mit Sprengschutt und Beton ausgefüllt.
21. August
1915
Seit
6 Uhr früh wieder starker 28 cm-Beschuß, aber schwächer als in den
vergangenen Tagen.
Im
Laufe des Tages bis 8 Uhr abends wurden ca. 100 Schuß Kaliber 28 cm auf
Werk „Lusern“ abgegeben. Zeitweiser Nebel behinderte die
Treffsicherheit der 28 cm-Batterie.
Die
Poterne zu Grabenstreiche erhält wahrscheinlich zwei Treffer auf der
gleichen Stelle knapp neben der Eskarpe. Es erfolgt zwar kein
Durchschlag, aber das Betongewölbe an der Aufschlagstelle (ist)
nahezu zerbrochen. Aus der inneren Laibung ist ein Betonblock von nahezu
½ cbm herausgebrochen. Das Poternenprofil wird an der Einschlagstelle
bis auf einen 80 cm breiten und 1,60 m hohen Durchgang ausbetoniert.
In
den Abendstunden Besuch unseres Brigadiers Generalmajor Edler von Verdroß
mit Hauptmann Schneider.
Werk
„Lusern“ erhält heute 63 Treffer, davon 49 auf die Werksdecken.
Kein Deckendurchschlag. Ca. 1/3 unserer Drahtschanzkörbe sind
verschwunden, zerstäubt, zerfetzt und zerrissen. Bis jetzt haben sie
uns sehr gute Dienste geleistet. Generalmajor Edler von Verdroß spricht
sich sehr lobend über die Haltung unserer Werksbesatzung aus.
Der
zerstörte Abort und Waschraum im II. Stock der Kehlkaserne wurde mit
Sandsäcken und Drahtschanzkörben im Bereich des Durchschlags voll
ausgeschlichtet, um uns vor Durchschlägen infolge der an dieser Stelle
zerstörten Betondecke in das Untergeschoß zu sichern. (Die) Wasserleitung
(ist) in Ordnung. Die Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“ wurden
auch heute nicht beschossen und sind völlig unbeschädigt, und deren
Waffen sind voll einsatzfähig.
Heute
keine Verluste.
Bis
auf den rechten drehbaren Beobachtungspanzer sind alle 10
cm-Turmhaubitzen und die beiden 8 cm-Minimalschartenkanonen und (die)
Maschinengewehre mit deren Panzerungen unbeschädigt und voll einsatzfähig.
22.
August 1915
Schwächerer
28 cm-Beschuß als gestern, dafür (ist)
der 14,9 cm-Beschuß sehr stark. In der Zeit von 5 Uhr früh bis 8 Uhr abends wurden auf Werk „Lusern“ an
die 80 Schuß Kaliber 28 cm und 180 Schuß Kaliber 14,9 cm abgegeben.
Das
Munitionsmagazin, zugänglich vom Batteriehohlgang im Batteriekomplex,
wurde mindestens zehnmal getroffen, die dort aufgeschlichteten
Drahtschanzkörbe zu 2/3 weggefegt und zwei Sprengtrichter von je 1,50 m
bis 1,70 m Tiefe und 3 bis 4 m Durchmesser am oberen Trichterrand
angerichtet. Sieben Deckenträger wurden bis auf 10 cm und mehr bleibend
durchgebogen. Auch die Decke der Grabenstreiche in der Kontereskarpe
wird einige Male getroffen, und (es werden)
bleibende Trägerdurchbiegungen von 2 bis 4 cm hervorgerufen. Auf der
Decke der Grabenstreiche (ist)
ebenfalls ein Trichter von 1,5 m Tiefe und nahezu 3 m Durchmesser am
oberen Trichterrand. Der Graben (ist)
stellenweise bis 1,50 m hoch verschüttet. Der rechtsseitige Ausschuß
der 6 cm-Minimalschartenkanone der Grabenstreiche (ist)
nahezu verschüttet und reicht (der Schutt)
bis knapp unterhalb der Panzerscharten. Der drehbare Panzertabernakel für
den Projektor zur Grabenbeleuchtung ist durch ein Sprengstück
festgeklemmt und läßt sich nicht mehr drehen, so daß im Bedarfsfalle
der Graben derzeit nicht beleuchtet werden kann.
Von
den Fronthindernissen sind nur spärliche Reste mehr vorhanden. Gestern
Nacht versuchte eine Bersaglieripatrouille, sich unserem Werk zu nähern,
wurde aber rechtzeitig von unserem Vorposten von der Kontereskarpe
erkannt und unter Feuer genommen und ließ einen Toten am Platz zurück,
der von uns geborgen wurde. Es ist zwecklos, solange der Schwerbeschuß
anhält, neue Hindernisse zu erstellen, da diese in kürzester Zeit
wieder weggefegt sind. Es fehlen uns auch die dafür notwendigen
Arbeitskräfte, da jeder Arm und Mann zum Ausbessern der vielen
Sprengtrichter auf den Werksdecken notwendig ist, um nur halbwegs mit
den Reparaturen nachzukommen.
Die
beiden 14,9 cm-Batterien, und zwar zwei Rohre auf Osteria del Ghertele
und drei Rohre auf Osteria del Termine, feuern den ganzen Tag bis 9 Uhr
abends auf unser Werk. Speziell die Kehlfront der Kehlkaserne und der
Kehlgraben erhalten über 50 Treffer, deren Explosionsgase und
Rauchentwicklung die Raumluft im Werksinneren verpesten. Das Untergeschoß
mußte zeitweilig geräumt werden, da die Mannschaften infolge
Rauchvergiftung es dort nicht mehr aushielten. Die Werkslüftung ist
eine Katastrophe. Solange kein Beschuß
erfolgt, reicht sie mit Müh’ und Not zur Durchlüftung der überfüllten Kasematten
knapp aus. Müssen aber während des Beschusses alle Fensterblenden
geschlossen sein, wird der Aufenthalt in dem Parterre des Werkes für
die dort (zum Bleiben) Verurteilten
zur Qual. Sobald der Stollendurchschlag erfolgt ist, wird die neue Lüftungsanlage
verlegt werden, da die dafür notwendigen Lüftungsrohre und die beiden
Exhaustoren schon dafür bereitliegen. In zwei bis drei Tagen hoffen
wir, daß beide Vortriebe des Felsstollens zusammentreffen werden.
Gestern
Nacht hatten (wir)
drei Tote und vier Verwundete unserer Trägerkolonnen zu beklagen, die
bei einem Feuerüberfall der Costesinbatterie von einer Schrapnell-Lage
erwischt worden waren.
Heute
(bekamen) wir 43 Werkstreffer, davon 31 Deckentreffer. Der
Beschuß galt heute hauptsächlich dem Kasemattenblock; der
Batterieblock bekam nur fünf Betontreffer, davon zwei auf die Decke des
Munitionsraums, zwei Treffer oberhalb des Batteriehohlgangs und einen
Treffer auf die Decke knapp neben dem drehbaren Beobachtungspanzer
oberhalb der Traditorenbatterie. Die wichtigsten Betonschäden konnten
in den letzten Nächten beseitigt werden. Der fixe Maschinengewehrpanzer
erhielt eine neue Betonvorlage, ebenso wurden der riesige Sprengtrichter
oberhalb der 8 cm-Traditorenbatterie teilweise aufgefüllt und
ausbetoniert. Auch die Deckenschäden der Grabenstreiche konnten ausgefüllt
und teilweise ausbetoniert werden. Der Deckenschaden des
Munitionsmagazins wurde nur mit Sprengschutt ausgefüllt. Das
Munitionsdepot wurde in den letzten beiden Tagen vollkommen geräumt und
die Verschläge der 10 cm-Haubitzmunition in der Poterne zur
Grabenstreiche deponiert. Für unsere Artilleristen bedeutet die Räumung
des Munitionsmagazins eine zusätzliche schwere Arbeit, da die Munition
vier Stockwerke hoch aus der Poterne herangeschleppt werden muß, was an
den Kräften der ohnehin übermüdeten Besatzung zehrt. Die Gefahr eines
Deckendurchschlags des Munitionsdepots ist zu groß, als daß wir über
4.000 Schuß dort eingelagert lassen. Ein Treffer in diesen
Munitionsstapel, und Werk „Lusern“ war einmal!
23.
August 1915
Seit
6 Uhr 30 früh pausenloser 28 cm-Beschuß! Auch das 14,9
cm-Langrohrfeuer (wütet) den ganzen Tag über anhaltend bis 8 Uhr abends.
Die
vierpiecige 7 cm-Gebirgsbatterie gibt über hundert Schuß Granaten auf
unser 8 cm-Traditorenbatterie ab in der Hoffnung, einen Schartentreffer
zu erzielen. Die Panzerscharten mußten geschlossen gehalten werden, um
Rohrkopftreffer an der einen oder anderen 8 cm-Minimalschartenkanone zu
verhindern. Die beiden Panzerschilde erhielten an die zwanzig Treffer,
die alle beim Aufschlag zerschellten und dem 20 cm dicken Panzer nichts
anhaben konnten.
Wieder
wurde der Vorbeton des fixen Maschinengewehrpanzers schwer in
Mitleidenschaft gezogen. Der Vorpanzer liegt wieder nahezu bloß und ist
schutzlos einem schweren Treffer ausgesetzt. Der Batteriehohlgang wird
an zwei Stellen schwer in Mitleidenschaft gezogen, und es ging knapp an
Durchschlägen durch das Betongewölbe vorbei. Innen fallen große
Betonbrocken von der inneren Laibung ab. Mindestens zehn- bis zwölfmal
werden die Turmhaubitzen Nr. I und II von 14,9 cm-Granaten getroffen,
die aber alle im Aufschlag zerschellen und weiter keinen Schaden
anrichten. Aber von 28 cm-Bomben wird direkt keiner unserer Dreh- und
Fixpanzer getroffen. Es grenzt an ein Wunder, daß trotz der vielen
Hunderten von 28 cm Schüssen in den letzten Tagen unsere Panzer von Treffern verschont
geblieben sind. Alle Geschütze sind voll einsatzfähig geblieben.
Wir
bekommen heute an die 100 Schuß 28er und ca. 150 Schuß 14,9 cm
zugedacht. Über 50 Treffer haben wir auszuhalten. Die Decke oberhalb
der Telephonkasematte im II. Stock wird wiederholt getroffen, und (dort)
biegen sich die Träger an den Auftreffstellen stellenweise bis auf 10
cm durch. Oberhalb (befindet sich)
ein riesiger Sprengtrichter von mehr als 2 m Tiefe und 5 m Durchmesser.
Der Werkskommandant befiehlt angesichts der drohenden Gefahr eines
Durchschlags der Decke die sofortige Räumung der Telephonanlagen und
Verlegung derselben in das mehr als beengte Kellergeschoß.
Wir
kommen mit den Reparaturen auf den Werksdecken nicht mehr nach. Über
100 Schuß 28er im Tag erzeugen so viele Schäden, daß man nicht mehr
weiß, wo man anfangen soll, da alle gleich wichtig und vordringlich
ist. Dazu mehren sich die Feuerüberfälle während der Nächte der
Marcai- und Costesinbatterien täglich mehr, so daß unsere Leute
zwangsweise mit den Arbeiten nicht mehr zurecht kommen, da immer wieder
Arbeitspausen eingeschaltet werden müssen, bis beide Batterien sich
ausgetobt haben.
Unsere
beschränkten Munitionsvorräte lassen eine wirkliche Bekämpfung dieser
beiden für uns so unangenehmen Batterien leider nicht zu.
Alle
Mann sind heute auf den Werksdecken im Einsatz. Sogar unsere Trägerkolonnen
müssen herangezogen werden, um vor allem die zwei gefährlichen
Trichter oberhalb des Batteriehohlgangs mit Beton ausfüllen zu können.
Pausenlos klirren die Betonschaufeln, um die Löcher voll zu kriegen. Da
unser Betonmischer, der im II. Stock aufgestellt ist, mit dem Bedarf an
Beton nicht nachkommt, sind fünf Arbeitspartien im Kehlgraben
angestellt, um Beton und wieder Beton zu mischen, der dann in Kübeln
von Hand zu Hand drei Stockwerke hoch gereicht wird, bis dieser in die
Sprengtrichter entleert werden kann. Eine mühselige, anstrengende
Arbeit. Was wir heute zusammenflicken, wird morgen an anderer Stelle
wieder aufgerissen; so geht es fort, Tag und Nacht ohne Pause und
Atemschöpfen.
Hauptmann
Schneider (ist) seit 7 Uhr
abends im Werk (und)
teilt uns mit, daß in Kürze mit einem italienischen Großangriff zu
rechnen sein wird, da eine Menge Überläufer von den Vorbereitungen drüben
berichteten. Aber wir erkennen von unseren Beobachtungspanzern aus
selbst, daß sich ein neues Ungewitter zusammenbraut, denn täglich
steigen mehr Rauchsäulen aus den vor uns liegenden Wäldern auf, die
zeigen, daß neue Truppenverbände beim Feind eingelangt sind, die nur für
einen beabsichtigten Großangriff zusammengezogen werden. Aber die
sichersten Gewährsmänner sind immer die Überläufer, die jedem
italienischen Angriff vorangehen. Einige wollen wissen, daß neue
Riesenkaliber bereitgestellt sind, die uns bald den Garaus machen
werden.
Für
uns heißt es warten und nochmals warten. Wir können dagegen nichts tun
und müssen fatalistisch die Ereignisse an uns herankommen lassen. Aber
wir werden uns wehren bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone.
Ein heißer Empfang ist unserem Gegner gewiß.
Heute
zwei Tote und drei Verwundete.
24.
August 1915
Heute
(haben wir) einen schicksalsschweren Tag überstanden!
Seit
6 Uhr früh pausenloser Beschuß mit 28 cm-Kalibern, welcher bis ½ 11
Uhr andauerte. Dann verlegte der Feind schlagartig sein Feuer auf die
beiden Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“, diese in Rauch
und Qualm hüllend.
Wir
konnten uns anfänglich die neue Taktik unseres Gegners gar nicht recht
erklären, uns völlig ungeschoren zu lassen.
Es
war Punkt 11 Uhr, als unsere Nerven und Ohren etwas Grauenhaftes erschütterte.
Wir hören zum ersten Mal den Abschuß eines neuen, uns noch nicht
bekannten Geschützes aus der Gegend des Monte Paradisio.
( Es
handelte sich um kein neu in Erscheinung getretenes Geschütz. Die aus
zwei Geschützen bestehende italienische 30,5 cm-Haubitzbatterie, die
seit dem 15. August 1915 ausschließlich das Werk „Verle“ beschossen
und schwer beschädigt hatte, bezog nur von nun ab auch das Werk
„Lusern“ in ihren Feuerbereich ein).
Dann heult es mit unerhörter Heftigkeit heran. Die Wucht der
nachfolgenden Explosion mit unheimlichem Dröhnen läßt unsere
Trommelfelle nahezu bersten und das Werk „Lusern“ in seinen
Grundfesten erzittern. Ein großkalibriges Geschoß; der erste Treffer
schlägt unmittelbar vor der Kontereskarpe ein und hüllt alles
sekundenlang in undurchsichtigen Qualm und Rauch. Ein Blick aus der
Panzerbeobachtungsscharte zeigt uns, daß auch bei unserem Nachbarwerk
zur Linken, Werk „Verle“, eine turmhohe schwarze Rauchsäule, einer
Pinie gleich, sich auf dessen Kasemattblock erhebt. Und gleich darauf (erfolgt)
der nächste Einschlag, nahezu auf der gleichen Stelle wie der erste.
Und
dann ging es Einschlag auf Einschlag. Immer näher rückten die Einschläge,
jetzt im Graben, wanderten weiter auf den Batterie- und den
Kasemattblock. Das war keine von den uns altvertrauten 28 cm-Bomben, die
uns bisher so viel Schrecken und Not bereitet hatten. Das war ein uns
bisher unbekanntes Kaliber, von welchem die Überläufer nur zu oft
berichtet hatten und an das wir nicht glauben wollten. Eine zweipiecige
Batterie, deren Lage noch nicht erkundet war, hatte den Kampf mit uns
aufgenommen.
Die
Decke des Zimmers des Werkskommandanten im II. Stock wird getroffen;
zwar nicht durchschlagen, aber die Traversen werden durchgebogen, so daß
schleunigstes Abstützen notwendig ist. Gleich darauf wird die geräumte
Telephonkasematte im II. Stock getroffen, glatt durchschlagen (es war
nicht möglich gewesen, den bereits vorhandenen Sprengtrichter auszufüllen),
und der in der Kasematte schlafende Leutnant Söllner von Prankenstein
wird von den nachrutschenden Schutt- und Betontrümmern begraben.
Im
linken Beobachtungspanzer versieht Fähnrich Felix Schwefel seinen
Dienst als Artilleriebeobachter. Ein Einschlag unmittelbar neben dem
Drehpanzer sendet Splitter durch die Beobachtungsscharte in das
Kuppelinnere und tötet diesen sowie zwei Telephonisten.
Der
Vorpanzer der Turmhaubitze Nr. III wird getroffen, die Auftreffwucht des
Geschosses allerdings durch den Vorbeton verringert, aber dieser
trotzdem durchschlagen. Zum Glück fing die ausbetonierte Ringgallerie
die ganze Sprengwirkung auf, so daß im Kuppelraum außer vier
Verwundeten und Beschädigung der Unterlafette der 10 cm-Haubitze nicht
viel passierte. Aber wir fanden die unversehrte Geschoßspitze, aus
welcher wir sofort das neue Kaliber mit 30,5 cm feststellten. Die
Panzerkuppel steht fest und läßt sich nicht mehr drehen.
Alle
sechs Minuten heulen zwei dieser Riesenkoffer heran, schmettern in den
Beton und reißen riesige Sprengkrater auf, wo sie auf blanken Beton
treffen. Dort, wo noch die Drahtschanzkörbe vorhanden sind, erweist
sich die Wirkung als verhältnismäßig gering. Wohl wird die 1,50 m
hohe Schotterschicht durchfahren, aber auch hier wird die
Auftreffgeschwindigkeit so stark abgebremst, daß nur geringe
Eindringung in den eigentlichen Deckenbeton erfolgt, was Sprengtrichter
von 70 bis 80 cm Tiefe ergibt. Aber wie lange werden die Drahtschanzkörbe
der unvorstellbaren Wucht der 30,5 cm-Explosionen standhalten, bis auch
diese wegrasiert und weggefegt sein werden?
Wir
können nichts tun als warten und rauchen! Pausenlos geht es auf uns
nieder. Nicht einmal die sonst übliche Mittagspause wird heute von den
Italienern eingehalten. Unser Werkskommandant läßt alle Panzerobjekte
räumen, da wir ja derzeit überhaupt nichts sehen und nicht wissen, was
rings um uns vorgeht. Manchmal feuert die 30,5 cm-Batterie Zweischußlagen,
die, wenn der Kasemattblock getroffen wird, unheimliche Erschütterungen
auslösen. Jeden Augenblick glaubt man, daß unser Werk
auseinanderfallen wird. Dabei geht es aber pausenlos auf „Viaz“ und
„Oberwiesen“ mit 28ern nieder. Warten und nichts tun können ist fürchterlich.
Auch unser braven Artilleristen haben bleiche Gesichter, aber von einer
Panik ist nichts zu bemerken. Wir Offiziere sind bei unseren Leuten,
sprechen ihnen Mut zu und unterhalten uns mit ihnen. Das wirk Wunder.
Jeder fühlt, daß wir eine Schicksalsgemeinschaft sind und ein
eventuelles Verderben vor niemandem, auch vor unserem Werkskommandanten
und uns Offizieren, Halt machen wird.
Gegen
zwei Uhr wird das Feuer der 30,5 cm-Haubitzen ungenauer. Viele Weitschüsse
(gehen) in unser Kehlhindernis und den linken Auslaufgraben. Trotz der
unvorstellbaren Wucht der 30,5 cm-Einschläge erfolgt außer dem
Durchschlag in der Telephonkasematte kein weiterer Deckendurchschlag.
Oberst Ellison ruft alle Stunden an und erkundigt sich, wie es uns geht
und ob wir noch leben. Wir beruhigen ihn und sagen ihm, daß wir uns
bereits an das neue Kaliber gewöhnt haben und hoffen, auch die zu überstehen.
Gegen
5 Uhr nachmittags wird höchste Alarmbereitschaft angeordnet, da alle
Anzeichen dafür sprechen, daß ein Großangriff unmittelbar bevorsteht.
Unser Hintergelände wird ebenfalls pausenlos von der 14,9 cm-Batterie
und der Gebirgsbatterie auf Costesin unter Feuer gehalten. Auch die
links und rechts vom Werk liegenden Infanteriestützpunkte liegen unter (dem)
Feuer von Feld- und Gebirgsbatterien.
Trotz
des starken 28 cm-Beschusses unserer beiden Nahkampfwerke „Viaz“ und
„Oberwiesen“ haben diese kaum gelitten. Außer einigen Betontreffern
und Naheinschlägen sind keine besonderen Schäden entstanden. Die
Feindbeobachtung mußte jedenfalls durch die Rauch- und Qualmentwicklung
sehr gelitten haben; denn sonst ist das schlechte Trefferergebnis anders
nicht zu erklären.
Gegen
7 Uhr abends wird der Beschuß eingestellt.
Das
Resümee des heutigen Tages:
ca. 80 Schuß Kaliber 30,5 cm
180 Schuß Kaliber 28 cm
100 Schuß Kaliber 14,9 cm
Die
Beschußzahlen der Costesinbatterie (wurden)
nur annähernd ermittelt mit ca. 700 bis 800 Schuß 7 cm-Kaliber.
Verluste:
2 Offiziere tot (Fähnrich zu den Offizieren gerechnet);
2 Unteroffiziere gefallen;
9 Mann gefallen, davon 6
Landsturmarbeiter;
1 Unteroffizier verwundet;
11 Mann verwundet, davon 6 Landsturmarbeiter.
Lusern
um 5 Uhr früh, den 25. August 1915
Der
erwartete Angriff setzte gegen 10 Uhr abends im Raum Werk „Verle“ -
Cima di Vezzena - Basson ein.
Das
Feindfeuer auf den genannten Angriffsraum wurde gegen ½ 10 Uhr abends
eingestellt, was dem längst erwarteten Angriff Gewißheit gab. Unser
Gegner hatte sonderbare Methoden, indem er seine Angriffe immer durch
vorhergehende Feuereinstellung bis zu einer halben Stunde und mehr
rechtzeitig ankündigte.
Unser
Artillerie war auf Posten. Wir feuerten mit unseren 10 cm-Turmhaubitzen
und den beiden 8 cm-Minimalschartenkanonen des Traditors in den Raum von
„Verle“ und Basson, was die Rohre zeitweise hergeben konnten. Auch
Werk „Gschwent“, noch völlig unbeschädigt, beteiligte sich mit
seinen drei Turmhaubitzen am Abwehrkampf.
Alle
Feindangriffe wurden restlos abgewiesen oder scheiterten im Abwehr- und
Sperrfeuer der Werksartillerien. Der am heißesten umkämpfte Basson,
welcher vorübergehend teilweise in die Hände des Gegners gefallen war,
eroberte unser einmaliger Gruppenkommandant Oberst Ellison mit nur
wenigen Herren seines Stabes zurück. Ein einmaliges Ereignis in der
Kriegsgeschichte, das sich wie ein Lauffeuer auf der ganzen Front
verbreitete.
Hochachtung,
unbegrenzte Hochachtung diesem Mann, dem es dank deiner unbeugsamen
Energie und (seinem) Mut
gelungen war, die Hochfläche Lavarone vor dem sicheren Verlust zu
retten, was unheilvolle Folgen gezeitigt hätte.
Unser
Munitionsverbrauch war auch dementsprechend. Die 10 cm Haubitzbatterie
hatte 1.780 Schuß, die 8 cm-Kanonenbatterie 1.083 Schuß verbraucht.
Pro Geschütz verblieben uns kaum noch 30 bis 40 Schuß als eiserner
Bestand.
25.
August 1915
Seit
7 Uhr früh Vergeltungsfeuer für das Mißlingen des Angriffs von
gestern Nacht.
Der
Feind wechselt mit dem Beschuß seiner Schwerkaliber zeitweise ab.
Einmal 30,5 cm-Beschuß, darauf 28 cm-Beschuß. ein Inferno
unvorstellbaren Ausmaßes. Wir sind blind und taub.
Der
Feindbeschuß dauerte bis 8 Uhr abends, aber wir leben noch, und Werk
„Lusern“ ist wohl äußerlich ein Trümmerhaufen, aber in seinem
Inneren leben Männer, die bereit sind, nicht aufzugeben, mag kommen,
was mag.
Ca
100 Schuß Kaliber 30,5 cm und ca. 180 Schuß Kaliber 28 cm nebst ca.
150 Schuß Kaliber 14,9 cm. Von den 28ern kommen ca. 80 Schuß auf das
Konto der beiden Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“. Alle
schweren Batterien feuerten nur Zweierlagen, ohne Unterbrechung bis 8
Uhr abends.
Der
Verdecksaufgang wurde restlos demoliert und die Panzerkalotte glatt
durchschlagen. Die nachrutschenden Schutt- und Betontrümmer verlegten
zum Teil den Batterieverbindungsgang, der während des stärksten
Beschusses freigelegt werden mußte.
Ein
weiterer Durchschlag erfolgte im Stiegenhaus zum II. Stockwerk. Über 10
cbm Schutt bedeckten den Stiegenaufgang, in welchen das Tageslicht fiel.
Beizender Rauch und Qualm erfüllten das ganze Werksinnere nach dem
Durchschlag. Sieben Mann wurden verschüttet und waren auf der Stelle
tot. Der ausgeschlichtete Abort- und Waschraum wurde zweimal getroffen;
die Deckenträger hängen dort bis zum Fußboden herab. Die Kehlmauer
wurde durch die Detonationswucht eingedrückt, und es ist dort ein 5 qm
großes Loch entstanden.
Die
Kasematte Nr. 48 im II. Stock wird glatt durchschlagen, die dort
schlafenden 21 Landsturmarbeiter (werden)
unter den Schuttmassen begraben. Die Decke des geräumten Munitionsraums
wird dreimal durchschlagen; dort hängen die zerrissenen Träger bis zum
Fußboden herab. Der Munitionsraum (ist) halb verschüttet. Das Einschußloch hat einen Durchmesser von 2,5 m.
Alle Türen und Fenster werden durch den Luftdruck der Innendetonationen
aus den Angeln gerissen. Undurchdringliche Staubwolken, vermischt mit
Rauch und Explosionsgasen, durchziehen alle Gänge und Stiegen des
Werkes.
Die
Decke der Grabenflankierung wird einige Male getroffen, was ebenfalls
starke Trägerdurchbiegungen zur Folge hat. Der Werksgraben ist
stellenweise und mehr (als) 2 m hoch verschüttet. Die Grabengeschütze und
Maschinengewehre haben keinen Ausschuß mehr.
Der
linke drehbare Beobachtungspanzer erhält einen 28 cm-Treffer als
Streifschuß auf die Panzerkuppel und einen Vorpanzertreffer, der zwar
nicht durchschlägt, aber eine starke Einbeulung an der Auftreffstelle
hervorruft, so daß die Panzerkuppel sich nicht mehr drehen läßt.
Die
Eskarpe im linken Grabenauslauf ist nur mehr eine schräge Schutthalde,
die bis zum Fuß der Kontereskarpe reicht.
Die
Panzer der Turmhaubitzen wurden, obwohl deren Vorbeton kaum existiert,
nicht getroffen!
Der
28 cm-Beschuß auf die beiden Nahkampfanlagen „Viaz“ und
„Oberwiesen“ war wieder kaum der Rede wert. Je drei Betontreffer auf
jedem Nahkampfwerk, außer Sprengtrichtern ohne Schaden. Allerdings gab
es viele Nahtreffer bei den beiden Objekten.
Die
Wasserleitung wurde an zwei Stellen unterbrochen; deren Schadensbehebung
ist noch nicht erfolgt.
Seit
10 Uhr abends versuchen wir, Munition so viel wie möglich in das Werk
zu schaffen, um die gelichteten Bestände aufzufüllen. Alles muß
herangetragen werden (ca. 900 m), und es sind über 100 Mann damit im
Einsatz. Die Verpflegung kommt erst in zweiter Linie.
Unsere
Werksdecken sehen grauenhaft aus. Von der ehemaligen Schlichtung der
Drahtschanzkörbe ist kaum noch 1/3 mehr vorhanden. Unsere Werksdecke
gleicht einer Schottergrube. Wo man da zuerst anfangen soll, Trichter zu
verschütten? Unvorstellbar ist die Wirkung der 30,5 cm-Granaten. Aus
den aufgefundenen Blindgängern stellen wir fest, daß so ein Geschoß
1,20 m lang ist, gefüllt mit 50 kg Perdyt.
Unsere
heutigen Verluste sind die schwersten seit Kriegsbeginn. Wir haben 36
Tote zu beklagen! Der gefallene Leutnant Sölner von Prankenstein konnte
aus der verschütteten Telephonkasematte noch nicht geborgen werden.
Wohin mit den vielen Toten? Ein Abtransport ist derzeit nicht möglich.
Wir müssen froh sein, die 21 Verwundeten abtransportieren zu können.
Unsere Totengruft ist restlos angefüllt. In manchen der Särge liegen
drei Mann oder Fragmente (von dem),
was einmal ein Mensch war, so, wie wir sie unter dem Schutt ausgraben,
mit und ohne Gliedmaßen, die meisten von ihnen unkenntlich.
Nach
der Beobachtung vom Posten Cost’alta (Gruppenkommando) sollen wir an
die 160 Treffer erhalten haben. Bis auf kleine Flächen, die von
Treffern bis heute verschont geblieben waren, ist die Werksdecke ein
einziger Treffer mit Trichtern bis zu 2 m Tiefe und mehr.
26.
August 1915
Der
30,5 cm-Beschuß (erfolgt) in
gleicher Stärke wie gestern. Der 28 cm Beschuß dagegen (ist)
wesentlich schwächer. Der 14,9 cm-Beschuß (erfolgt)
nur auf die Zugangswege zum Werk.
Der
28 cm-Beschuß (liegt) nur auf
„Viaz“ und „Oberwiesen“, mit gleich schlechten
Trefferergebnissen wie gestern. Der fixe Maschinengewehrpanzer auf „Viaz“
erhält einen 28 cm-Streifschuß auf die Panzerkuppel, ohne weiteren
Schaden anzurichten. Lediglich ein Rille von 16 cm Länge und 3 bis 7 cm
Tiefe (ist zu sehen). Der
Vorbeton wird zweimal getroffen und viel Beton abgeräumt. Sonst erhält
„Viaz“ auf die Decke vier, „Oberwiesen“ fünf Treffer, ohne
weiteren Schaden außer Sprengtrichtern zu hinterlassen.
Im
Werk „Lusern“ erhält der Bereitschaftsraum mindestens drei
Deckentreffer, wovon einer durchschlägt, sieben Träger aus ihrer
Auflage reißt und den Raum nahezu vollkommen verschüttet. Das Einschußloch
hat 2 m Durchmesser! Im Bereitschaftsraum wurden drei Artilleristen, die
sich dort aufhielten, verschüttet und konnten noch nicht geborgen
werden.
Der
rechte drehbare Beobachtungspanzer erhält einen 30,5 cm-Treffer auf die
Ringfuge, wobei das 30,5 cm-Geschoß unmittelbar neben dem Panzer zur
Detonation kommt. (Die)
Panzerkuppel (ist) vollkommen verklemmt und ca. 3 cm angehoben; (sie)
läßt sich nicht mehr
drehen. Das Maschinengewehr wurde dabei demoliert. In der zur Zeit des
Treffers besetzten Panzerkuppel (wurden)
ein Fähnrich und 1 Telephonist verwundet.
Die
Panzerkuppel der Turmhaubitze Nr. II erhielt auf deren Zenit einen
leichten Streifschuß, der das 30,5 cm-Geschoß so aus der Flugbahn
brachte, daß es mit dem ogivalen (spitzbogigen)
Geschoßteil auf die Panzerkalotte des Stiegenaufgangs aufschlug,
dortselbst detonierte und die Panzerkalotte nach innen ca. 10 cm tief
einbeulte. Sonst entstand kein Schaden am Panzerobjekt.
Der
Stollenvortrieb dürfte in zwei bis drei Tagen beiderseits durchbrochen
sein.
Werk
„Lusern“ hat heute mindestens 50 Betontreffer erhalten. Die
italienischen 30,5 cm-Haubitzen haben eine unheimliche Präzision bei
sehr geringer Längen- und Breitenstreuung.
Die
Wasserleitung konnte noch nicht repariert werden, da diese heute wieder
an drei Stellen durch den 28 cm-Beschuß unterbrochen wurde.
Auch
die telephonische Verbindung mit dem Gruppenkommando und Werk
„Verle“ ist unterbrochen; (es) dürfte das Panzerkabel wieder zerschossen sein. Die Blinkstationen
dagegen sind unbeschädigt.
Gestern
Nacht konnten (wir)
458 Schuß 10 cm-Haubitzmunition und
606 Schuß 8 cm-Munition in das Werk schaffen, und diesmal ging es ohne
Verluste zu beklagen ab.
Verluste
heute: Verwundete
1 Fähnrich
7 Mann
Tote
4 Mann
27.
August 1915
Wesentlich
schwächerer Beschuß mit 30,5 cm-Kalibern als gestern.
Ca. 50 Schuß Kaliber 30,5 cm wurden auf Werk „Lusern“ abgegeben,
auf beide Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“ ca. 50 Schuß
Kaliber 28 cm. Der 14,9 cm-Beschuß (erfolgte) auf die Werksdecke des Werks „Lusern“ und auf die Zugangswege.
Infolge
zeitweise schlechter Sicht (war)
das 30,5 cm-Feuer nicht so genau wie gestern. Der 30,5 cm-Beschuß
erzielte 32 Werkstreffer, davon 21 Einschläge auf der Werksdecke.
(Die)
Drehpanzer der 10 cm-Turmhaubitzen (sind)
alle unbeschädigt geblieben. Die Turmhaubitze Nr. II (ist)
wieder repariert und voll einsatzfähig.
Deckendurchschläge:
Keine
Der
Felsstollen wurde heute Nacht um 11 Uhr durchbrochen und die Verbindung
hergestellt. Es ist noch der Stollen auf das volle Profil auszubrechen,
und dann kann der ganze Werksverkehr durch diesen erfolgen. In der
Felskaverne für die Lüftermaschinen sind diese bereits in Montage und (sind)
noch die Rohrleitungen im
Felsstollen zu verlegen.
Heute
Nacht wieder Munitionierung der Werksbestände. Über 100 Mann (wurden)
dazu abgestellt. Bis 12 Uhr nachts konnten 770 Schuß 10 cm-Munition und
330 Schuß 8 cm-Munition in das Werk geschafft werden.
Alle
Verwundeten sind abgeschoben und auf den Hilfsplatz auf Monte Rover überführt
worden.
Pausenlose
Ausbesserungsarbeiten auf dem Verdeck. Alle Kasematten, wie Nr. 48 und
die Telephonkasematte, wurden mit Drahtschanzkörben voll
ausgeschlichtet, um Durchschläge in das Untergeschoß zu verhindern.
Das Durchschlagloch im Stiegenhaus wurde gestern Nacht ausbetoniert,
Wasserleitung und Telephonkabel wieder repariert.
Heute
keine Verluste.
Wir
haben uns alle bereits an den 30,5 cm-Beschuß gewöhnt und sind die anfänglichen
Schrecken schon wieder gewöhnt, und (es)
bringt uns nichts mehr aus der Ruhe. (Die)
Stimmung der Besatzung (ist)
einmalig gut.
28.
August 1915
Wieder
schwerer 30,5 cm-Beschuß in Zweierschußlagen, den ganzen Tag
anhaltend. Infolge zeitweisen Nebels (ist)
das Feuer nicht sehr genau. Die 28 cm Batterie gab 30 Schuß wieder auf
beide Nahkampfanlagen, ohne einen Treffer zu erzielen, ab. (Die)
Wasserleitung dagegen (ist)
wieder an zwei Stellen unterbrochen.
Heute
erhält Werk „Lusern“ nur 29 Deckentreffer, ohne einen Durchschlag
zu erzielen. Dagegen fallen über 40 Schuß in den Werksgraben, der
diese Bezeichnung nicht mehr verdient, da er kein Hindernis mehr bietet.
An die drei und vier Meter hoch ist stellenweise das Grabenprofil mit
Fels- und Betontrümmern ausgefüllt. Eskarpe und Kontereskarpe sind nur
mehr schräge Schutthalden. Vom Werkshindernis in der Front ist nichts
mehr zu sehen; es ist restlos vernichtet.
Der
Vorpanzer der Turmhaubitze Nr. II erhält einen 30,5
cm-Panzerdurchschlag. Das Geschoß detoniert im Durchschlag, aber die
Wirkung war trotzdem eine gewaltige, obwohl die ausbetonierte
Ringgallerie, die ebenfalls durchbrochen wurde, viel zur Abschwächung
beitrug. Die Panzerkuppel wurde verschoben, die Ober- und die
Unterlafette stark beschädigt. Beim Haubitzrohr wurde das Verschlußstück
deformiert und muß dafür erst bei Skoda neu angefertigt werden. Der
Skodamonteur erklärt mir, daß bei den gegenwärtigen Verhältnissen
eine Reparatur des Panzers nicht zu machen ist. Da das Geschütz zur
Zeit des Durchschlags nicht besetzt war, entstanden keine Verluste.
Heutige
Verluste: 3 Landsturmarbeiter (wurden) verwundet
beim Munitionstransport während der Nacht.
Die
ganze Nacht wurden unsere Ausbesserungsarbeiten nicht gestört und
erfolgte kein Feuerüberfall. Wahrscheinlich hält uns der Italiener
bereits für restlos erledigt.
29.
August 1915
Infolge
Regens und starken Nebels kein Feindbeschuß. Auch die 14,9 cm-Batterie
und die Costesin- und Marcaibatterien verhalten sich vollkommen ruhig.
Wir
benützen den schußtoten Tag und den zeitweise dichten Nebel, um auf
den Werksdecken die riesigen Sprengtrichter zuzuschütten, da an ein
Ausbetonieren nicht zu denken ist. Wir haben infolge der vielen Ausfälle
in den letzten Tagen so starke Verluste erlitten, daß es uns an genügenden
Arbeitskräften fehlt, um Zement in das Werk heranschaffen zu können.
Ersatzmannschaften sind derzeit keine verfügbar, wie uns das
Gruppenkommando trotz aller Vorstellungen bekanntgibt.
(Die)
Wasserleitung (ist) wieder repariert. Der drehbare Panzerbeobachter (ist)
wieder verwendbar.
Heute
keine Verluste.
30.
August 1915
Wieder
starker 30,5 cm-Beschuß mit 80 Schuß auf unser Werk. Ca. 40 Schuß
Kaliber 28 cm auf die Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“.
Dort nur drei Betontreffer, ohne weiteren Schaden anzurichten.
Werk
„Lusern“ selbst erhält ca. 30 Deckentreffer, aber keinen
Durchschlag. Wir haben heute in den Abendstunden sieben Blindgänger der
30,5 cm-Bomben auf der Werksdecke geborgen. Schwer wurde der Kehlgraben
durch viele Weitschüsse in Mitleidenschaft gezogen. Stellenweise liegen
der Schutt und die Felstrümmer bis zu den Kehlfenstern hoch. Ein
Weitschuß detonierte 10 m vom Stolleneingang (entfernt), ohne Schaden anzurichten. Unsere Munitionierung ist nur zum Teil
beendet. Pro Haubitze haben (wir)
jetzt ca. 300 Schuß, für die 8 cm-Minimalschartenkanonen pro Geschütz
400 Schuß vorrätig. Neue Munition (ist)
erst in 14 Tagen wieder zu haben
Die
Turmhaubitze Nr. II erhält gegen Abend einen Nahtreffer, und (es)
verkeilt sich ein ca. 20 kg schweres Sprengstück in der Auflage der
Panzerkuppel, so daß diese sich nicht heben und drehen läßt. (Der)
Skodamonteur verspricht, den Schaden bis morgen Abend zu beheben.
Verluste
heute: 2 Mann verwundet (Landsturmarbeiter).
31.
August 1915
Schwerer
30,5 cm- und 28 cm-Beschuß von 5 Uhr früh bis 8 Uhr abends, ohne
Mittagspause. Es werden ca. 100 Schuß Kaliber 30,5 cm und ca. 50 Schuß
Kaliber 28 cm auf Werk „Lusern“ abgegeben. Die Panzerbatterie
„Punta Corbin“ feuert an die 80 Schuß 14,9 cm in die Kehlfront des
Werkes und auf die nicht mehr existierende Zufahrtsstraße des Werkes.
War
das schwere Feuer infolge leichten Morgennebels in den frühen
Morgenstunden ungenau, so besserten sich die Beschußverhältnisse
zusehends mit der späteren verbesserten Sicht. Ab 10 Uhr vormittags
feuerten die 30,5 cm- und die 28 cm-Batterien nur Zweischußlagen, die
im späteren Tagesverlauf schwerste Schäden anrichteten. Der 31. August
ist für unser zerschossenes Werk ein wahrer schwarzer Tag gewesen.
Unsere
10 cm-Turmhaubitzenbatterie wurde nahezu zur Gänze außer Gefecht
gesetzt und erledigt. Bei der Turmhaubitze Nr. III wurde der ganze
Vorbeton in deren Front weggeschossen und bildet dort eine schräge
Schutthalde in den Frontgraben, die bis zum Fuß der Kontereskarpe
reicht. Der Vorpanzer in der Front steht nur mehr auf den
Ankerschrauben. Ein um die Mittagszeit erfolgter Kuppeltreffer,
wahrscheinlich von einer 30,5 cm-Bombe herrührend, erschütterte den
Drehpanzer, der seiner stabilen Unterlage um diese Zeit bereits beraubt
war, derartig, daß sich die Panzerkuppel weder drehen noch heben läßt.
Durch die Auftreffwucht des Treffers hat sich ein der Betonunterlage
beraubtes Segment des Vorpanzers etwas gesenkt, weshalb der
Drehmechanismus klemmt und die Panzerkuppel derzeit immobil ist. Der
Skodamonteur erklärt mir, daß er während einer schußtoten Zeit
versuchen wird, mit dem Hebezeug den Vorpanzer zu heben. Ob es glücken
wird, kann er nicht versprechen.
Die
Turmhaubitze Nr. IV erhält knapp vor Mittag einen 30,5 cm-Treffer auf
den bloßliegenden Vorpanzer, knapp unterhalb der Ringfuge, der zwar
nicht durchschlägt, aber einen durchgehenden Riß bis zum Auflagefuß
des Vorpanzers erzeugt. Die ausbetonierte Ringgallerie fängt zum Großteil
die ganze Schockwirkung auf, so daß im Turmschacht nur Betonbrocken
sich von diesem lösen und nur unbedeutende Beschädigungen an der Ober-
und Unterlafette entstehen. Da sich der Riß im Vorpanzer durch
Nahtreffer bei der Turmhaubitze auf ca. 4 cm erweitert, senkt sich auch
die Panzerkuppel auf der Auftreffstelle ca. 5 cm nach abwärts und fällt
als Drehpanzer endgültig aus. Dazu erklärt der Skodamonteur, daß bei
den gegenwärtigen Verhältnissen eine Reparatur unmöglich ist, da die
Panzerkuppel abgehoben werden muß, um den Vorpanzer zusammenflicken zu
können. Das Haubitzrohr ist unbeschädigt.
Gegen
3 Uhr nachmittags erhält die Turmhaubitze (Nr.)
I einen 30,5 cm-Treffer unterhalb des bloßliegenden Vorpanzers, welcher
die ausbetonierte Ringgallerie glatt durchschlägt und im Turmschacht
zur Explosion kommt. Die Panzerkuppel selbst wird dabei aus deren
Verankerung gerissen, hochgehoben und rutscht verkehrt auf der schrägen,
in den Graben führenden Schutthalde in denselben ab. Dabei kann man
noch von einem Glück sagen, daß die im Turmschacht gestapelten
Bereitschaftsgeschosse (40 Schuß) nicht detonierten und die Kartuschen
nicht abbrannten. Die Ober- und die Unterlafette der 10 cm-Haubitze
wurden stark beschädigt, das Haubitzrohr selbst am Verschlußstück
eingerissen und ist derzeit unbrauchbar.
Alle
drei Drehpanzer waren zum Glück nicht besetzt, so daß keine
Menschenverluste entstanden. Die Zugänge zu den Turmhaubitzen wurden
vorläufig mit Sandsäcken verschlichtet.
Nach
der Innenexplosion im Turmschacht der Turmhaubitze Nr. I waren der
Batteriehohlgang und das Obergeschoß des Kasemattblocks von dichtem
schwarzen Qualm und (von) Sprenggasen angefüllt, so daß es erst nach einer Stunde möglich war,
die verheerenden Beschädigungen in Augenschein zu nehmen. Wir haben
jetzt nur noch eine 10 cm-Turmhaubitze verwendbar. Aber wie lange? Bei
dem Feuerorkan und den stündlich sich mehrenden Schäden ist an
Reparaturen kaum mehr zu denken.
Knapp
vor 7 Uhr abends, mit den letzten auf Werk „Lusern“ abgegebenen Schüssen,
erhält die der Betonauflage entblößte Panzerkalotte des
Stiegenaufgangs der Turmhaubitze Nr. III an deren Stoß- und Überlappungsstelle
einen 28 cm-Treffer. Die an dieser Stelle ca. 140 mm dicke Panzerplatte
wird glatt durchschlagen; die 28 cm-Granate detoniert während des
Panzerdurchschlags. Durch die Wucht der Explosion wird die Panzerkalotte
im unteren Teil aufgerissen und in der ganzen Breite der Bedachung des
Stiegenzuganges in einer Länge von 1,35 m nach oben mit scharf
ausgezackten Rändern abgebogen. Eine unregelmäßige Öffnung, durch
welche das Tageslicht in den Turmschacht fällt, wird dadurch
hervorgerufen, und diese Öffnung umfaßt ca. 1,4 qm.
Zum
Glück wurde der größte Teil der Explosionswucht beim Zerreißen der
Panzerkalotte verbraucht, so daß im Geschützbrunnen selbst nur wenig
Schaden angerichtet wurde. Die völlig unversehrte, sehr schlanke Geschoßspitze
der 28 cm-Granate steckte im Betonpodest der Unterlafette der 10
cm-Turmhaubitze und war in dieses noch 31 cm tief eingedrungen. Durch
die Splitterwirkung der Granate wurden die Ober- und Unterlafette der
Haubitze geringfügig havariert. Das 10 cm-Haubitzrohr blieb aber völlig
unbeschädigt. Auch hier kann man noch von Glück sagen, daß die im
Turmschacht gelagerten 40 Schuß Bereitschaftsmunition nicht
detonierten, obwohl neun Granatschrapnells mit ihren Kartuschen aus
deren Geschoßhalterungen gerissen wurden und dort verstreut herumlagen.
Deren Explosion hätte jedenfalls verheerende Folgen haben können. Da
der Geschützstand zur Zeit des Kalottendurchschlags nicht besetzt war,
hatten (wir)
deshalb auch keine Verluste der Bedienungsmannschaften zu beklagen.
Durch
die Geschoßdetonation war auch diesmal wieder der Batteriehohlgang
durch Rauch und Sprenggase längere Zeit verpestet und war erst nach 20
Minuten betretbar.
Die
Einschußöffnung wird derzeit provisorisch mit Profilträgerstücken überdeckt
und mit einer Sandsackauflage verschlichtet, die ca. 1 m hoch ist. Auch
der Stiegenaufgang wird bis auf weiteres mit Sandsäcken abgemauert.
Der
Skodamonteur besichtigte die an der Ober- und Unterlafette entstandenen
Schäden, beurteilt diese aber nicht als schwerwiegend und verspricht,
diese in einer Woche wieder in Ordnung zu bringen.
Und
so mußten wir untätig zusehen, wie unsere schöne, stolze 10 cm
Turmhaubitzbatterie im Laufe eines Tages zusammengeschlagen wurde, ohne
dagegen etwas unternehmen zu können, da die feindlichen Schwerkaliber
außerhalb der Portee unserer Werksartillerie etabliert sind. Der
Ausfall von drei Drehpanzergeschützen an einem Tag bedrückt uns sehr
schwer und geht uns sehr nahe.
Der
Haubitzverbindungsgang erhielt auf dessen Decke einige schwere 30,5
cm-Treffer, die zwar nicht durchschlugen, aber das Betongewölbe so
stark schwächten, daß bei dem nächsten Treffer auf die gleichen
Stellen mit einem Durchschlag zu rechnen ist.
In
den bereits mit Drahtschanzkörben ausgeschlichteten Abort und Waschraum
im II. Stock des Kasemattenblocks schlagen drei 30,5 cm-Treffer ein, die
zwar keinen weiteren Schaden anrichten können, da dort sowieso alles
demoliert und zertrümmert ist.
Die
ganze Front der Haubitzbatterie bildet eine schräge Schutthalde in den
Graben, der bereits mehr als zwei Meter hoch verschüttet ist. Die
Waffen in der Grabenstreiche haben keinen Ausschuß mehr; deren Scharten
sind vollkommen verschüttet.
Sehr
stark wurde auch die Decke oberhalb der Traditorenbatterie in
Mitleidenschaft gezogen. Dort sind zwei riesige Sprengtrichter
entstanden, von denen einer bis auf die Oberflanschen der Deckenträger
der linken 8 cm-Traditorkasematte reicht. Der drehbare
Panzerbeobachtungsstand ist verschüttet und derzeit nicht sichtbar.
Auch die linke Scharte der einen 8 cm-Minimalschartenkanone ist durch
Betontrümmer an deren Ausschuß behindert. Die Decke des Kasemattblocks
ist ebenfalls ein einziges Trichterfeld, doch erfolgte kein
Deckendurchschlag.
Das
beklemmende Gefühl, untätig warten zu müssen, was die nächste
Batterielage an 30,5 cm bringt und sich nicht wehren zu können, ist
furchtbar. Ja, wenn der Italiener angreifen würde, damit wir ihm mit
blanker Waffe entgegentreten könnten - aber der kommt nicht. Er lauert
in seinen Sturmgräben und sieht sich das Vernichtungswerk seiner 30,5
cm-Haubitzen aus gesicherter Entfernung an und wartet, bis „Lusern“
sich nicht mehr wehren kann. Aber solange wir noch leben, werden wir
ihm, wenn er versuchen sollte, unser Werk mit stürmender Hand zu
nehmen, einen blutigen Empfang bereiten.
Wieviel
30,5 cm-Treffer wir heute abbekommen haben, läßt sich nicht
feststellen. Jedenfalls, wenn es so weiter geht und der 30,5 cm-Beschuß
nicht bald nachläßt, sieht es um den weiteren Bestand des Werks
„Lusern“ nicht rosig aus.
Beide
Nahkampfanlagen „Viaz“ und „Oberwiesen“ wurden durch die 28
cm-Batterie mit ca. 50 Schuß unter Feuer gehalten, (es wurden)
aber keine wesentlichen Beschädigungen dort erzielt. Fünf
Deckentreffer auf „Oberwiesen“ und drei auf „Viaz“ waren das
Ergebnis des Beschusses. Kein Deckendurchschlag oder Panzertreffer!
Beide Ziele sind infolge deren Kleinheit schwer zu treffen; (auch)
wurde das Feindfeuer durch die unerhört starke Rauchentwicklung in
deren genauen Schußbeobachtung sehr beeinträchtigt. (Die)
Wasserleitung (ist) an zwei
Stellen zerschossen, so daß kein Zufluß in die Werkszisterne erfolgt. (Die) Telephonverbindungen (sind)
jedoch alle unbeschädigt.
Der
Stollen ist bis auf wenige Meter in beiden Vortrieben auf sein volles
Profil ausgebrochen und kann zur Not schon benützt werden. Die Montage
der Lüftungsrohre schreitet rasch vorwärts, und (wir)
können hoffen, in einigen Tagen, wenn Werk „Lusern“ bis dahin noch
existiert, endlich laufend mit Frischluft versorgt zu werden. Beide Lüftermaschinen
sind montiert und warten nur auf den Kabelanschluß. Für unsere zukünftige
Werksversorgung wird der Felsstollen eine Wohltat sein.
So
unglaublich es klingen mag: Wir hatten heute keinen Mann Verlust oder
Verwundete!
Seit
dem 15. August wurden dem Werk „Lusern“ an die 2.300 Schuß vom
Kaliber 30,5 und 28 cm zugedacht, die nahezu 1.200 Werkstreffer
erzielten. Eine unvorstellbare Trefferzahl, und es ist kaum zu glauben,
daß unser Werk überhaupt noch steht, in seinem Innern Menschen leben,
die trotz aller Mühsal, Not, Entbehrung und aller Schrecknisse bereit
sind, den ihnen anvertrauten Schutthaufen bis zum letzten Mann zu
verteidigen.
Gegen
5 Uhr kommen unser Gruppenkommandant Oberst Ellison und Hauptmann
Schneider zu uns ins Werk. Unser Oberst berichtet uns, daß es
von seinem
Beobachtungsstand auf
der Cost’alta schaurig anzusehen war, wie ein
italienischer Dreissiger nach dem anderen in unserem Werk einschlug und
man dort den Eindruck hatte, daß kein Stein mehr auf dem anderen übrig
bleiben wird. Allen Mannschaften sprach er weiteren Mut zu und
unbedingtes Ausharren bis zum letzten Blutstropfen. Vielen unserer
getreuen Kämpfer schüttelt er die Hände und läßt noch und noch
Zigaretten, das Wichtigste für den Soldaten, verteilen, die sein
Bursche bei seinen Besuchen immer in großen Mengen mitbringt. Auch
Sonderrationen von Rum, Tee und Wein werden zum Schrecken unseres
Proviantoffiziers auf seine Anordnung an unsere Leute ausgegeben.
Wie
unser Oberst im Werk ist, schlägt die Stimmung schlagartig um. Überall
sieht man frohe und freudige Gesichter; denn dieser einmalige Offizier
versteht es, durch seine Persönlichkeit allein Wunder zu wirken und dem
Abwehrwillen der Besatzung neuen Impuls zu geben.
Alles
wird auf das eingehendste besichtigt. Und Oberst Ellison ordnet an, daß
sofort die 10 cm-Turmhaubitzen Nr. III, IV und I desarmiert werden. Die
Rohre (und die) Unter- und Oberlafetten sollen sofort ausgebaut werden, um diese vor
der endgültigen Zerstörung zu bewahren.
In
der Grabenstreiche werden die zwei 6 cm-Minimalschartenkanonen und die
zwei Maschinengewehre in das Obergeschoß übertragen, um von dort aus
die Reste unseres einstigen Werksgrabens zu bestreichen. In die
Panzerkuppeln der Turmhaubitzen Nr. III und IV kommt je ein mobiles
Maschinengewehr zur Nahverteidigung. Der leere Turmschacht der
Turmhaubitze Nr. I wird mit Sandsäcken verstärkt. Im Bedarfsfalle
kommen dann zwei mobile Maschinengewehre dort zur Aufstellung, um bei
einem Nahangriff des Feindes von dort aus zu wirken. Die Reparaturen an
den Drehpanzern der Turmhaubitzen Nr. III und IV sind einzustellen und für
einen späteren Termin vorzusehen.
Unser
Werkskommandant erhält den Befehl, falls es nicht möglich sein sollte,
die Decke oberhalb der Traditorenbatterie in absehbarer Zeit
auszubessern, auch die beiden 8 cm-Minimalschartenkanonen auszubauen, um
diese vor der Vernichtung zu bewahren.
Hinter
dem Werk, gedeckt im Wald, sind sofort drei Betonfundamente für die
drei ausgebauten 10 cm-Turmhaubitzen zu errichten, die vor dort aus zu
wirken haben. Unser Werkskommandant und Hauptmann Schneider wie unser
Fortifikationswerkmeister Weselsky ermitteln anschließend an die
Besprechung mit unserem Oberst sofort die Lage der neuen
Batteriestellung für die drei Turmhaubitzen.
Unser Oberst teilt uns noch mit, daß derzeit keine Anzeichen für einen
neuerlichen Großangriff des Feindes bevorstünden, wie jener am 24.
August, und daß der Italiener erst nach erhoffter völliger Erledigung
durch den 30,5 cm Beschuß von „Verle“ und „Lusern“ neuerlich
versuchen wird, sich dieser beiden widerspenstigen Bollwerke zu bemächtigen.
( Die Italiener nannten das Werk „Lusern“ respektvoll
„Il padre eterno“, also „Der ewige Vater“).
Nach Agentenberichten sollen angeblich zwei italienische 38 cm
Schiffsgeschütze, die für stillgelegte Schlachtschiffbauten bestimmt
waren, im Frühjahr gegen uns zum Einsatz kommen. Aber, vertröstet uns
unser Oberst, bis dahin haben (wir)
den Gegner schon längst in die italienische Tiefebene hinuntergeworfen,
und (es) wird zu diesem
Einsatz der Riesenkaliber nicht mehr kommen.
Sehr
beeindruckt hat unsern Oberst der nun fast fertige Felsstollen, eine
Riesenarbeit, die trotz aller Widerstände, Material- und Personalmangel
in der unglaublich kurzen Zeit bewältigt werden konnte.
Im
Felsstollen sollen noch zwei Bereitschaftskavernen ausgebrochen werden,
die für alle Fälle, falls der Beschuß und die Zerstörungen weiter
anhalten sollten, dort völlig sicheren Schutz der Besatzung des Werks
dort gewähren sollen.
Auch
vom Pumpwerk der Wasserversorgung „Viaz“ will der Oberst noch einen
Felsstollen zu unserem neuen Versorgungsstollen errichten lassen, um ein
völlig gesicherte Wasserversorgung des Werkes zu erreichen.
Außerdem
sollen wir noch heute Nacht eine Abteilung Pioniere und fünfzig
Landsturmarbeiter zugeteilt erhalten, um die dringendsten Schäden, so
gut es geht, zu beheben.
Erst
um 10 Uhr abends verabschiedet sich Oberst Ellison von uns Offizieren,
nachdem er den auf den Werksdecken schuftenden Mannschaften ebenfalls
ein Lebewohl zugerufen hatte.
Während der Nacht (herrscht)
völlige Feuerstille. Kein Schuß fällt.
Der 305mm Skoda Mörser, der das italienische Fort
Verena vernichtete.