Buch: Von den Hochebenen nach Karfreit
Autor: Lorenzo Baratter

Leseprobe
aus dem neu erschienen Buch, mit freundlicher Genehmigung von Bürgermeister Luigi Nicolussi
 

Trentino - sieben Gemeinden

erster Weltkrieg 1915 -1918

 


Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
 
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

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Ausstellung

Vielen Dank für die Leseprobe aus dem Buch von Lorenzo Baratter

ISBN: 88-88-197-00-1

Die Hochebenen, diese Gebiete, die heute Ruhe und Frieden ausstrahlen, erlebten nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen dem Königreich Italien und der österreichisch- ungarischen Monarchie im Mai 1915, eine tiefe und tragische Veränderung.

Alle jungen Männer – viele von ihnen waren Bauern, Müller, Senner Hirten und Köhler – wurden in die Armee einberufen. Für die österreichisch-ungarische Armee traf es die jungen Männer aus Folgaria, Lavarone, Lusern; zur Armee der Savoyen wurden die Einwohner der Dörfer angefangen von Vezzena, bis gegen Asiago eingezogen.

Und gerade hier verlief die Front, die erste Linie. Die Dörfer wurden zerstört oder stark beschädigt, die Familien in aller Eile evakuiert und weit weggebracht, in bis dahin unbekannte Gegenden. Die Dinge des Krieges wurden gegenüber jenen des zivilen Lebens vorrangig. Seit damals war für lange Zeit nichts mehr so wie früher.

Als der Krieg vorbei war, brauchte es viele Jahre und großer Opfer, um die Dörfer wieder aufzubauen, Wiesen und Wälder, wo sich nicht explodierte Sprengkörper verbargen, mussten bonifiziert werden und die Tränen reichten nicht mehr aus um die tausenden Gefallenen und Vermissten an fernen Fronten zu beweinen.

Wenn wir heute durch diese wunderbare Gegend wandern, so verspüren wir nur mehr wenige, und von der Zeit abgeschwächte Anzeichen jener immensen Schlachten, die sich hier abspielten. Männer mit den verschiedensten Uniformen und aus fast allen Nationen der Welt zogen durch diese Wälder und über diese Straßen und ließen oft ihr Leben auf diesen Bergen. Und wer nicht starb trug lebenslänglich eine Wunde in sich, von der wir uns heute keine Vorstellung machen können. Zu den sicher eindrucksvollsten Zeugen dieser Zeit zählen die Befestigungsanlagen. Heute stille Zeugen zwischen Wiesen und Wäldern, einst echte «Monster» aus Stahl und Beton, stets bereit, Feuerstürme gegen den Feind zu schleudern.

Dort, wo heute noch die Grenze zwischen der Provinz Trient und der Provinz Vicenza liegt, verlief 1915 die Grenze zwischen dem Königreich Italien und dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich. Zwischen dem neunzehnten und dem zwanzigsten Jahrhundert plante Österreich den Bau zahlreicher Befestigungen, vor allem in diesen Gebieten. Es handelte sich in strategischer Hinsicht um äußerst wichtige Zonen die – sollten sie nicht angemessen verteidigt werden – es den Italienern ermöglicht hätte, mit Leichtigkeit in Trient einzufallen.

Aus einer Sicht zum Zwecke der Offensive gesehen – denken wir an die wichtige Rolle die diese Befestigungen während der Schlacht auf den Hochebenen im Mai 1916 spielten – eigneten sich diese militär-architektonischen Befestigungswerke auch um eventuelle Expansionen in Richtung der venetischen Ebene zu unterstützen.

Die Werke wurden so gebaut, dass sie auch den stärksten Artilleriegeschossen, sogar jenen zu 30,5 cm standhalten konnten. Es handelte sich um authentische Ingenieurswerke für militärische Zwecke, manchmal mit großen Steinplatten verkleidet und von Gräben umgeben. Man baute sie aus Eisengerüsten, die in dicke Betonschichten versenkt wurden; sie waren widerstandsfähiger als die italienischen Festungen, die keine Eisengerüste hatten, obwohl sie manchmal mit einer stärkeren Artillerie als die der österreichischen Werke ausgestattet waren.

Die kaiserliche Verteidigungslinie war folgendermaßen aufgestellt: zwei Befestigungsanlagen (Werk Verle und Werk Vezzena) an der Ostseite, vier Befestigungsanlagen an der Westseite (Werk Serrada, Werk Sommo Alto, Werk San Sebastian, und Werk Gschwendt), sowie das Werk Lusern auf einer zentralen Mittellinie. Das war der eiserne Verteidigungsgürtel der Hochebenen.

Jedes Werk verfügte über ein komplexes Rüstungssystem (drehbare, gepanzerte Turmhaubitzen, Kanonen in Kasematten, Kanonen und Maschinengewehre für die Nahverteidigung), sowie Unterkünfte für die Mannschaft, Munitionslager, Sanitätsstellen und Küchen. Um die Werke verliefen Schützengräben, Hindernisse, Beobachtungsstellen. Starke Nachtreflektoren verhinderten die Annäherung des Feindes.

Das gesamte System stützte sich auf einen einzigen Beobachtungspunkt, dem Monte Rust, zwischen Carbonare und Lavarone-Chiesa, direkt über dem Lavarone-See, von wo aus man sich ein komplettes Bild über die Aufstellung der österreichischen Befestigungsanlagen machen konnte.

 

 

Im Wald von Millegrobbe, oberhalb von Lusern, auf einer Höhe von über 1.500 m liegt das Werk Lusern, das zwischen Juli 1908 und Oktober 1912 gebaut wurde und heute besucht werden kann.

Im Laufe der letzten Jahre sind dank großer Investitionen bedeutende Wiedergewinnungsarbeiten am gesamten Werk durchgeführt worden, das man jetzt wieder besichtigen kann.

Foto ricordo davanti al forte di Luserna devastato dai colpi dell’artiglieria italiana
Erinnerungsphoto vor dem von der italienischen Artillerie zerstörten Werk Lusern

 

Das Werk bestand aus einer Hauptanlage, auf der Anhöhe der Cima Campo auf 1.549 m und aus zwei nicht weit entfernten Vorposten, Viaz und Oberwiesen. Dem ersten Vorposten (mit einer fixen Panzerkuppel), der östlich vom Stützpunkt lag, kam die Überwachung von Malga Campo und Val Torra zu, während Oberwiesen (Batterie mit Stellung für den Infanteriekampf unter festem Geschützturm) das Val d´Astico kontrollierte.

Die drei Werke waren durch Stollen und Laufgräben verbunden. In der Nacht verfügte das Werk über 14 Scheinwerfer: 6 beleuchteten das Vorfeld des Stützpunktes, die anderen gehörten zur Ausstattung der Vorposten oder waren in den Gräben aufgestellt.

 

 

 

Ingrandendo il dettaglio di una fotografia scattata vicino al forte Campo di Luserna si intravedono,
accanto ai reticolati, i corpi senza vita di almeno tre soldati italiani. Sono stati uccisi prima di poter iniziare a tagliare il filo spinato nemico. Davanti al soldato riverso a terra a destra, si intravede l’elmetto
per guastatori modello «Farina».
In der Vergrößerung des Details eines in der Nähe vom Werk Lusern aufgenommen Photos sieht man neben den Hindernissen die Leichen von mindestens drei italienischen Soldaten liegen. Sie wurden getötet bevor sie damit beginnen konnten den feindlichen Stacheldraht durchzuschneiden. Neben dem rechts am Boden liegenden Soldaten kann man den Helm der Sturmpioniere Modell «Farina» erkennen.

Uli Mößlang:
So blieben die Leichen unter Umständen tagelang liegen, bevor sie gefahrlos geborgen werden konnten. Leider blieb auch Verwundete eine Bergung versagt und man hörte sie tagelang um Hilfe rufen, bis sie an den Schussverletzungen starben oder an Wassermangel verdursteten.

Das Werk verfügte nicht nur über Unterkünfte und Schlafstellen, sondern war auch mit einem Stromgenerator, Treibstofflager und einem Pumpenaggregat ausgestattet, das 1200 l/h Trinkwasser von der Quelle Viez/Cima Campo befördern konnte Ein Telefonnetz verband dieses Gebäude mit den anderen Festungswerken auf den Hochebenen.

Fast komplett in den Felsen gehauen, hatte das Werk eine dreieckige, lang gezogene Form und war von einem breiten und tiefen Kehlgraben umgeben. Zahlreiche Arbeiter aus den umliegenden Ortschaften trugen zum Bau der Festung bei.

Die ordentliche Besatzung bestand aus 312 Männern (1 Kommandant, 4 Offiziere und Kadetten, 198 Artilleristen, 82 Landesschützen, 1 Arzt, 12 Telefonisten und 6 «Schützengräbenbauer», 2 Adjutanten und 6 Offiziersdiener).

Ausgestattet war das Werk mit 4 drehbaren, gepanzerten Turmhaubitzen zu 10 cm und mit verschiedenen anderen, kleineren Bestückungen sowie mit einem fünften, fixen Panzerturm, in dem sich die Beobachtungsstelle befand. Ein dichtes Netz von Schützengräben verband das Werk Lusern mit Monte Basson und dem Ort Millegrobbe, den nahen Befestigungswerken Verle und Pizzo Vezzena. Auf der Mittellinie des österreichischen Befestigungsgürtels auf den Hochebenen gelegen, war es seine Aufgabe das Val d´Assa und Val d´Astico zu überwachen und einen italienischen Vormarsch durch Monterovere und Lavarone zu verhindern.

In den ersten Tagen des Krieges gegen Italien (vom 24. bis zum 28. Mai) wurde das Werk mit 5.000 Geschoßen großen und mittleren Kalibers aus den italienischen Festungen beschossen, besonders aus Verena und Campolongo. Aufgrund seiner scheinbaren Unzerstörbarkeit, nannten die italienischen Soldaten das Werk «den Gottvater».

Der bekannte Versuch des österreichischen Kommandanten Emanuel Nebasar das Werk aufzugeben, der durch einen sofortigen Eingriff der anderen Werke blockiert wurde – führte beinahe zu einem Durchstoß seitens der italienischen Front; mit dem Risiko für die habsburgische Armee, dass dadurch der Ausgang des Konfliktes ernsthaft beeinträchtigt worden wäre. Wäre dieser Umstand eingetreten, hätte dies zu einer beachtlichen Annäherung des italienischen Heeres an die Stadt Trient geführt.

Der Kommandant und die Offiziere, die die weiße Fahne gehisst hatten kamen vor ein Kriegsgericht, wurden jedoch von der Anklage des «versuchten Verrates» freigesprochen. Die Führung von Werk Lusern wurde am 29. Mai 1915 dem Oberleutnant Josef Schaufler übertragen.

 

In einer Nacht nach der Schlacht von Basson begegnete der österreichisch-ungarische Offiziersanwärter Luis Trenker einer eigenartigen Kolonne:

«… Als ich ungefähr auf halben Wege war erschien vor mir, im verschwommenen Licht, eine Karawane von Lasteseln. Es waren vielleicht fünfzehn oder zwanzig die auf mich zukamen … beim besseren hinsehen merkte ich, dass auf den Tieren Menschen saßen. Sie sagten kein Wort … eine Wolke schob sich für einige Momente vor das Mondlicht und ich konnte nicht verstehen warum die Karawane so leise herankam. Üblicherweise sind die Mauleselkarawanen sehr laut, die Treiber schreien und reden. Diese war absolut stumm. Die Neugierde vermischte sich mit einem Gefühl der Erdrückung.
Ich war es nicht gewohnt auf dem so oft begangenen Weg Reitern zu begegnen. Als sie näher kamen merkte ich, dass die Gestalten absolut unmögliche und fantasievolle Positionen einnahmen, sie saßen wie Hampelmänner auf dem Rücken der Tiere …... Auf dem ersten saß ein große, hagerer Mann der sich im Schritttempo des Tieres auf und nieder wiegte. Es war ein Toter.
Ich hätte schreien wollen, mein Hals war jedoch wie von kalten Hände zugeschnürt. Die Reiter waren nur wenige Schritte von mir entfernt. Ich war so entsetzlich alleine in diesem Moment und wusste nicht ob ich bleiben, zurückkehren oder schreien sollte … auf dem nächsten Tier saßen zwei Alpini der Kopf des einen sah nach unten und der des anderen nach oben …. So ritten sie an mir vorbei, Last nach Last, armselig und stumm.
Letzt endlich näherten sich menschliche Stimmen und mit ihnen hatte der Alptraum ein Ende. Ich beklagte mich und fragte warum nicht ein jeder Treiber neben seinem Tier ginge. Sie antworteten, dass die Maulesel den Weg zum Friedhof gut kannten und wenn sie ankämen würden sie von alleine stehen bleiben und es wäre außerdem nicht angenehm neben den Tieren zu gehen. Es ging bereits seit drei Nächten so weiter».

 

da fiel eine Bombe die einen Kameraden, einen gewissen Valerio Paluselli aus Panchià di Fiemme, entzweiriss und einem gewissen Menapace aus dem Nonstal ein Bein brach …... Bei Nachteinbruch schickten man uns leise circa 200 Schritte in Richtung Kampflinie wo man uns auftrug Gräben auszuheben.
Wir waren soeben mit dem Ausheben fertig und hatten uns in den Graben gelegt als unser Kommandant plötzlich befielt das Bajonett aufzusetzen und zum Angriff überzugehen, nachdem wir ungefähr 30 oder 40 Schritte hinter uns gebracht hatten, hörten wir plötzlich von einer Seite des Schützengrabens zur anderen einen Hurrah Schrei; da begann der Feind mit seinem Kugelhagel…. Zu unserem Verderb kam noch hinzu, dass unsere Artillerie, die über unser Vordringen nicht rechtzeitig informiert worden war, auch auf unsere Reihen schoss, da wir uns dort befanden wo sich vorher der Feind aufhielt. Am nächsten Morgen sahen wir das entsetzliche Schauspiel jener verhängnisvollen Nacht, der Boden war gänzlich mit Leichen und Verstümmelten übersäht … Am 22. rief unser Kompaniekommandant die Soldaten namentlich auf, von den einst 304 Mann der Kompanie waren 55 übrig geblieben».

 

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