" Werk Sebastiano " Kriegstagebuch des Werkskommandanten " Werk Cherle " Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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November 1915 Der frühe Wintereinbruch machte alle größeren
Kampfhandlungen im Frontabschnitt Folgaria unmöglich. Unsere
Hauptbeschäftigung bestand in der Versorgung und Beschaffung von
Brennholz, um für die langen Wintermonate gerüstet zu sein. Der
Stollenausbau wurde fortgesetzt, wiederholt durch Mangel an
Sprengstoff unterbrochen und schritt deshalb nur langsam voran. Vom
Feind wurden im Monat November im ganzen ca. 100 Schuß 14,9 cm, davon
2/3 Schrapnells, als gelegentliches Störungsfeuer auf die
Werkszufahrt abgegeben. Größer Schäden wurden nicht angerichtet.
Verwundete oder Gefallene waren nicht zu beklagen. Dafür waren die
Erkrankungen mit einem laufenden Stand von zehn bis zwölf Mann verhältnismäßig
hoch, was auf die feuchten Kasematten zurückzuführen war, die Verkühlung
und Gelenkserkrankungen förderten. Der
eigene Munitionsverbrauch belief sich auf 270 Schuß 10 cm
Haubitzmunition. Dieser Munitionsverbrauch wurde zur Störung des
feindlichen Nachschubs auf der Tonezzastraße angesetzt, wenn
feindliche Autos oder Tragtierkolonnen bei Tage sich dort wie im
tiefsten Frieden vor unseren Augen bewegten. Dezember 1915 Kein Feindbeschuß mit 28
cm Kaliber. Die
14,9 cm Batterie auf Toraro gab im Verlauf des ganzen Monats Dezember
ca. 50 Schuß Schrapnells auf die Werkszufahrt ab, ohne weitere Schäden
anzurichten. Die
abnorm hohen Schneelagen schlossen jedwede feindlichen oder eigenen
Kampfhandlungen aus. Der
eigene Munitionsverbrauch betrug für den ganzen Monat Dezember 85
Schuß 10 cm Haubitzmunition. Verluste
außer Kranken hatte die Werksbesatzung keine zu verzeichnen. Die
leicht Erkrankten wurden alle im Werkslazarett behandelt und nur
schwerere Fälle an das Feldspital in Folgaria abgegeben.
Durchschnittlicher Krankenstand: 18 bis 20 Mann täglich. Resümee über
die Auswirkungen der kriegerischen Ereignisse um das Werk
„Sebastiano“ vom
Mai 1915 bis Ende Dezember 1915 Das Werk „Sebastiano“ hatte beide
Beschussperioden unter der Einwirkung von ca. 3.200 Schuss Kaliber 28
cm und ca. 4.000 Schuss Kaliber 14,9 cm sehr gut überstanden; es
wurden weder dessen passive Abwehrkraft noch die unter Panzer
stehenden Waffen ernstlich beeinträchtigt. Schon
nach den ersten Beschusswochen hatte es sich gezeigt, dass das Kaliber
28 cm der italienischen Küstenhaubitze trotz anfänglich verwendeter
ausgezeichneter Kruppmunition nicht ausreichte, um in kurzer Zeit das
Werk als Kampffaktor ausschalten zu können. Unverständlich
– wie so manches an der italienischen Kriegführung auf Lavarone und
Folgaria - war auch der zeitweise sehr heftige 14,9 cm Beschuss des
Werkes „Sebastiano“ selbst, von welchem der Gegner sich überhaupt
keinen Erfolg versprechen konnte, da von diesem Kaliber gegen Panzer
und Beton keine ausreichende zerstörende Wirkung zu erwarten war, wie
die Beschussergebnisse später zur Genüge erwiesen haben. Alle
entstandenen Beschussschäden an Beton und Drehpanzern wurden laufend
von der nimmermüden Besatzung unter deren äußerst rührigen
Werkskommandanten ausgebessert; daher konnte die Widerstandsfähigkeit
des Werkes uneingeschränkt erhalten werden. Die
auftretenden Schwächemomente an den Vorpanzern der 10
cm-Turmhaubitzen konnten in der Form Abhilfe geschaffen werden, dass deren Ringgalerien unter Zuhilfenahme von Profilträgern N. P. 50
ausbetoniert wurden, was sich gegen das 28 cm-Kaliber als ausreichend
widerstandsfähig erwiesen hatte. Die
für die Werksverteidigung willkommenen, aber sonst unverständlichen
feindlichen kürzeren oder längeren Beschusspausen, die sich auf Tage
oder sogar Wochen erstreckten, wurden immer wieder dazu benützt,
unter dem Einsatz aller verfügbaren Kräfte entstandene Schäden
auszubessern und zu beheben. Setzte dann nach Tagen oder Wochen
neuerlich der 28 cm Beschuss ein, hatte das Werk dann immer wieder
nahezu seine gleiche Abwehrstärke wie zu Kriegsbeginn erreicht, und
so musste der Feindbeschuss neuerlich von vorne mit seinem Zerstörungsfeuer
auf ein Ziel beginnen, welches gleich stark wie zu Kriegsbeginn im Mai
war. Zu einem pausenlosen 28 cm Beschuss, um dem Verteidiger nicht die
Zeit für Reparaturen zu gewähren, konnte sich unser Gegner niemals
aufraffen und entschließen, weshalb ihm auch der angestrebte Erfolg,
nämlich eine Niederkämpfung des Werks „Sebastiano“, restlos
versagt blieb. Das
Werk „Sebastiano“ war der unbezwingbare Rückhalt des
Nordabschnittes des sonst eher als schwach zu bezeichnenden
Folgariaabschnittes, trotzdem es ca. 1,5 km hinter der eigentlichen
Widerstandslinie lag. Alle italienischen Angriffe gegen diese dem Werk
vorgelagerten Stellungen scheiterten einerseits an dem Mut der Tiroler
Standschützen, und andererseits an der artilleristischen Unterstützung
der sechs 10 cm Turmhaubitzen, deren zielsicheres Punktfeuer es immer
wieder verstanden hatte, eingetretene Krisen überwinden zu helfen und
den Gegner zu vertreiben. Infolge des dauernden Munitionsmangels an
10 cm Haubitzmunition waren der Werksartillerie leider Beschränkungen
auferlegt, die es verboten, oft lohnende Ziele mit Erfolg unter Beschuss
zu nehmen. Da aber eine rechtzeitige Ergänzung der verbrauchten
Munitionsbestände nicht gewährleistet war, und ein eisernen Bestand
für alle Eventualitäten vorhanden sein musste, hatte sich die
Werksartillerie, wenn auch manchmal schweren Herzens, den nun einmal
gebotenen Verhältnissen fügen müssen, was nicht immer zu unserem späteren
Vorteil war. Die
italienische Kriegführung auf Folgaria verzettelte bei allen ihren
Angriffen, die dazu dienen sollten, einen Frontdurchbruch zu
erzwingen, räumlich wie zeitlich immer voneinander getrennt ihre Kräfte,
weshalb ihr auch ein Erfolg bis zum Jahresende 1915 versagt blieb. Aus
der Ordre de Bataille geht hervor, wie schwach unsere Kräfte sowohl
an Infanterie als auch an Artillerie waren, so dass es ohne dem
Vorhandensein der drei Panzerwerke auf Folgaria niemals möglich
gewesen wäre, die Front gegen eine vier- bis fünffache Feindüberlegenheit
zu halten.
Januar bis März 1916 Die ausgesprochenen Wintermonate Jänner
bis Ende März 1916 mit den abnorm hohen Schneelagen und strenger Kälte
schlossen jegliche Kampfhandlungen selbst kleinsten Stiles aus. Die
Werksbesatzungen waren ununterbrochen damit beschäftigt, die
Zugangswege zum Werk von den ungeheuren Schneemassen freizuhalten, um
die laufende Versorgung des Werkes sicherzustellen. Auch die
Beschaffung von Brennmaterial war keine leichte Sache und zehrte sehr
an der Kraft der Werksbesatzung. Jedes Scheit Holz mußte auf den
Schultern der Besatzung herangeschleppt werden – genau so, wie es in
den Sommermonaten vorigen Jahres mit dem Zement gewesen war. Ich
habe bereits bei der Schilderung der Tagesereignisse im Winter
1915/1916 des Werks „Lusern“ dem Leser einen Einblick gewährt,
wie es da zuging, und das hat sich in nahezu gleicher Form auch in den
Folgariawerken in diesem Sinne abgespielt. Um
den Leser nicht zu ermüden und um Gleichförmigkeiten zu vermeiden,
sind deshalb die Tagesereignisse bei den Folgariawerken während der
Wintermonate fortgelassen. Kein
28 cm Beschuß und nur ganz vereinzelte Lagen von 14,9 cm Kalibern,
das in den drei Berichtsmonaten ca. 50 Schuß umfaßte. Da
der Italiener mit den gleichen Schwierigkeiten im Kampf gegen Schnee
und Eis zu kämpfen hatte wie wir, dürfte es verständlich sein, daß
auch er bestrebt war, seine Kräfte und sein Material zu schonen, und
sie für die günstige Jahreszeit im Frühjahr 1916 aufsparte.
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