Die Hochflächenwerke nach dem ersten Weltkrieg

Kriegstagebuch  des Werkskommandanten 

Entnommen aus dem Roman  
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

 

Als der Erste Weltkrieg vorüber war, kamen die Altmaterialsammler. Anfangs suchten sie nur nach Patronen- und Granatenhülsen, später wurde aus den Werken alles, was nicht niet- und nagelfest war, insbesondere die Eisenteile, abmontiert.  

Schlimmer kam es in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Durch den eklatanten Stahlmangel, der in Italien herrschte, als der Vökerbund 1935 wegen seines Überfalls auf Abessinien über das Land Sanktionen verhängt hatte, begann man damit, durch die Sprengung der k.u.k. Festungswerke der letzten Bauperiode Stahl für die Kriegsproduktion zu gewinnen. Die örtlich zuständigen Gemeinden, in deren Besitz die ehemaligen Werke ab 1927 übergegangen waren, schlossen mit Abbruchunternehmen Verträge ab und gestatteten ihnen, gegen Bezahlung die noch vorhandenen Eisenteile, insbesonders die I-Träger der Decken sowie die Panzerteile auszubauen.  

Exemplarisch dafür ist der Vertrag, den die Gemeinde Folgaria Anfang 1935 mit der Firma Amadeo Briata in Rovereto abgeschlossen hat. Als der Gemeindehaushalt für das Jahr 1934 nicht ausgeglichen werden konnte und auch im Haushaltsvoranschlag für das Jahr 1935 ein Defizit von 1.876,51 Lire drohte, wurde sie von der Präfektur der Provinz Trient aufgefordert, entweder sparsamer zu sein oder die Einnahmen zu vermehren. Daraufhin verkaufte die Gemeinde für die Summe von 165.000 Lire das gesamte noch vorhandene Eisenmaterial aus den Werken „San Sebastiano“, „Sommo“ und „Sommo Alto“ an den o.a. Abbruchunternehmer und gestattete ihm die Demolierung der Werke. Mittels Dynamit wurden die Werksdecken und die Wände mit den eingebauten Panzerschilden gesprengt, die Eisenteile ausgebaut und abtransportiert. Aber über den Erlös aus diesem Geschäft konnte die Gemeinde Folgaria nicht allein verfügen. Die faschistische Partei forderte und erhielt einen beträchtlichen Teil des Geldes für Stiftungen zur Errichtung eines Hauses des Faschismus, zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten, die die Partei eingegangen war, zum Kauf von Uniformen für die Jungen Faschisten usw. Die Gemeinde selbst finanzierte mit dem Rest der Verkaufssumme ein Schulzentrum, stiftete Heiratsprämien zu Gunsten armer, junger Leute der Gemeinde und förderte den örtlichen Arbeiterunterstützungsverein.  

Gleiches geschah auch auf der Hochfläche von Lavarone. Die Gemeinde Lusern kaufte das gleichnamige Werk am 03. Juni 1935 dem italienischen Staat ab und erteilte bereits am 16. des gleichen Monats dem Abbruchunternehmen Mondini aus Trient die Genehmigung zur Zertrümmerung des Werkes. Da auch Ortsansässige am Abbruch beteiligt wurden, kehrte in der unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise leidenden Gemeinde Lusern ein gewisser Wohlstand ein, der aber nicht lange anhielt.  

Auch die Werke „Verle“ und „Cima die Vezzena“ wurden demoliert. Nur das Werk „Gschwent“ blieb von der Zertrümmerung verschont. Angeblich hatte König Viktor Emanuel III. seinerzeit den Hochflächen einen Besuch abgestattet und angesichts des guten  Erhaltungszustandes den Wunsch ausgedrückt, ihm das tragische Ende der anderen Werke zu ersparen, ein Wunsch, dem offensichtlich nachgekommen wurde.  

1954 kaufte die Familie Oseli aus Lavarone das Werk „Gschwent“ der Gemeinde ab und richtete darin ein kleines, recht informatives Museum ein. Sogar die gleichfalls der Demontage zum Opfer gefallenen drei Panzerkuppeln der Geschütztürme wurden originalgetreu in Beton nachgegossen, so dass das Werke auch heute noch - zumindest äußerlich - einen nachhaltigen Eindruck von der Kunst der k.u.k. Festungsbauer vermittelt.  

Mit Unterstützung der Autonomen Provinz Trient, der Region Trentino-Südtirol und der österreichischen Vereinigung der Kaiserjäger kaufte die Gemeinde Lavarone das Werk „Gschwent“ 1996 zurück und unterzog es einer Generalsanierung. Im Werk selbst befindet sich eine auf den neuesten Stand gebrachte historische Dauerausstellung über den Ersten Weltkrieg, die die Ortsgeschichte mit den Ereignissen und der allgemeinen Entwicklung des Krieges zu verbinden weiß. Es bereichert die regionale Museumslandschaft und trägt aus dem Blickwinkel und im Lichte der Erfahrung unserer Tage recht gut zu der Erkenntnis bei, dass jener Krieg - wie alle Kriege - unmenschlich und im Grunde nutzlos war.  

Ab dem Jahre 1990 hat man damit begonnen, bei den anderen Werken auf den Hochflächen den bei der Demolierung entstandenen Schutt zu beseitigen, die Ruinen von der sie überwuchernden Vegetation zu befreien und einzelne Teile der Anlagen, soweit dies ihr Zustand z uli eß, wieder zugänglich zu machen. Sie sind ein Bestandteil des 370 km langen, vom Stilfser Joch bis zur Marmolada führenden Friedenspfades. Er folgt den Spuren des seinerzeitigen Frontverlaufs. Festungen, Stellungen und Schützengräben wurden aus dem Zustand des Verfalls und der Verwahrlosung befreit und restauriert; sie sollen als historisches, kulturelles und ideelles Zeugnis eines Ereignisses, welches das 20. Jahrhundert auf dramatische Weise geprägt hat, Mahnung und Symbol für den Frieden zwischen den Völkern sein.

Nachwort  

Karl Lipscher hatte für sein Monumentalwerk über die k.u.k. Reichsbefestigungen auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria im Ersten Weltkrieg ein Nachwort geschrieben, das für unser heutiges Verständnis vielleicht ein wenig zu schwülstig klingt, das aber sicherlich den Geist widerspiegelt, mit dem die damalige Generation gedacht und gehandelt hat. Ich habe es daher unverändert als Abschluss des 1. Teils dieses Buches übernommen.  

In dem großen Geschehen auf Lavarone-Folgaria und darüber hinaus war die Artillerie immer der bis in den Tod getreue Kampfgefährte ihrer Schwesterwaffe, gleichviel, ob sie ihnen im Angriff zum Siege verhalf oder in der Verteidigung die feindlichen Sturmkolonnen zu Boden zwang oder im Rückzug die weichenden Bataillone vor dem äußersten Mißgeschick - der Vernichtung - bewahrte. Und gerade im Unglück zeigte sich die österr.-ungar. Artillerie immer in vollster Größe.  

Sie war groß, als sie bei Aspern entscheidend mithalf, dem großen Schlachtenkaiser Napoleon den Nimbus der Unbesiegbarkeit zu nehmen. Sie war aber noch viel größer, als sie bei Königgrätz das zertrümmerte Heer vor dem Untergang rettete. Und sie war es auch im letzten großen Kriege, den die alte Donaumonarchie zu führen hatte. Wieviel herrliche Leistungen wurden auch auf Lavarone und Folgaria von der Festungsartillerie vollbracht; Leistungen im Verborgenen, von denen niemand sprach, die niemand anerkannte, die kein Pressebericht rühmte, die einfach pflichtgemäß getan wurden und nicht nach Anerkennung heischten.  

Bescheidenheit war überhaupt einer der hervorstechenden Wesenszüge der einstigen österr.-ungar. Artillerie immer gewesen. Bescheidenheit wurde ihr im Laufe der Jahrhunderte fast systematisch anerzogen und nicht selten leider bis zur Resignation gesteigert. Sie war bescheiden als Waffe, wo man an ihr zu allen Zeiten und in erster Linie schon mehr als möglich knauserte; sie war bescheiden im Hinblick auf ihre Stellung im Rahmen der gesamten Streitkräfte, wo man ihren Wert erst im Gewühle der Schlacht zu würdigen lernte; bescheiden war auch jeder Einzelne in Bezug auf seine militärische Laufbahn, Einsatzfreudigkeit und seinen Mut.  

Und noch einiger anerkannte Helden möge im Nachwort gedacht werden.  

Auch die beste Batterie war kampfunfähig, wenn die Mägen der Kanoniere leer blieben, die Geschütze und deren technische Einrichtungen nicht mehr funktionierten und sich niemand um den Munitionsnachschub, um die Gesundheit von Mensch und Tier kümmerte, die Bekleidung und Ausrüstung zu Fetzen wurde.  

Unverdrossen und opferfreudig arbeiteten Soldaten zweiter Klasse an der Kampffront, meist unter elendsten Bedingungen, Tag und Nacht, um den Bedürfnissen der Besatzungen und der Werke gerecht zu werden. Da gab es keine behaglichen Kasematten, keine komfortablen Küchen, Ambulatorien und Krankenzimmer, keine pompösen Schlossereien oder Schmieden, besonders ausgestattete Kasematten für Offiziere und die innere Werksverwaltung. In den stickigen, muffligen und immer feuchten Kasematten, jahraus, jahrein zusammengepfercht auf einem armseligen Pritschenlager, Schimmel wohin man blickte und was man angriff, dazu im Sommer Tausende und Abertausende von Fliegen, die den Werksbesatzungen zur Qual wurden.  

Das waren die Stätten und die Behausung, ganz gleich, ob Offizier oder Artillerist, Köche, Sanitätspersonal, Schmiede und Artillerieschlosser und die unermüdlichen, ausgemergelten Trägerkolonnen arbeiteten und hausten. Dauernd lagen ihre Arbeitsstätten und Nachschubwege unter Feuer und erinnerten sie an den Tod, der stündlich nicht nur den Werksbesatzungen, sondern auch jenen, die sich im Gefolge der Kampftruppe befanden, drohte. Auch der Frontsoldat hatte - wenn auch selten - seine freie Stunde, in der er ausnahmsweise nicht um die nächste Stunde bangen mußte. So mancher dieser braven Nichtgenannten und Unbekannten hat bei seiner schweren Arbeit - man gedenke dabei besonders der Trägerkolonnen - seinen Tod gefunden.  

Den Werksbesatzungen, die ein gütiges Schicksal die Heimat wiedersehen ließ, sei an dieser Stelle ein ganz bescheidenes Ehrenmal gesetzt. Ohne ihrem vorbildlichen Wirken, ohne ihrer Geduld im Ertragen von Leiden ohne Ende und ohne ihren Opfermut wäre das Land Tirol nicht vor dem Zugriff des Feindes zu retten gewesen.  

Die einstige österr.-ungar. Artillerie ist nicht mehr! Ihr Leib ist tot, all ihr Heldentum und ihre gebrachten Opfer waren umsonst gewesen. Ihr Geist aber, der im Kampf mit dem treulosen Verbündeten am Isonzo wie in Schnee und Eis der Alpen, den Welschen siegreich die Stirne geboten hatte und sie mit eiserner Faust bis an den Piave trieb,  

„E r  s i e g t e.“

 

 

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