Die Hochflächenwerke nach dem ersten Weltkrieg Kriegstagebuch des Werkskommandanten Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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Als
der Erste Weltkrieg vorüber war, kamen die Altmaterialsammler. Anfangs
suchten sie nur nach Patronen- und Granatenhülsen, später wurde aus
den Werken alles, was nicht niet- und nagelfest war, insbesondere die
Eisenteile, abmontiert. Schlimmer
kam es in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Durch den
eklatanten Stahlmangel, der in Italien herrschte, als der Vökerbund
1935 wegen seines Überfalls auf Abessinien über das Land Sanktionen
verhängt hatte, begann man damit, durch die Sprengung der k.u.k.
Festungswerke der letzten Bauperiode Stahl für die Kriegsproduktion zu
gewinnen. Die örtlich zuständigen Gemeinden, in deren Besitz die
ehemaligen Werke ab 1927 übergegangen waren, schlossen mit
Abbruchunternehmen Verträge ab und gestatteten ihnen, gegen Bezahlung
die noch vorhandenen Eisenteile, insbesonders die I-Träger der Decken
sowie die Panzerteile auszubauen. Exemplarisch
dafür ist der Vertrag, den die Gemeinde Folgaria Anfang 1935 mit der
Firma Amadeo Briata in Rovereto abgeschlossen hat. Als der
Gemeindehaushalt für das Jahr 1934 nicht ausgeglichen werden konnte und
auch im Haushaltsvoranschlag für das Jahr 1935 ein Defizit von 1.876,51
Lire drohte, wurde sie von der Präfektur der Provinz Trient
aufgefordert, entweder sparsamer zu sein oder die Einnahmen zu
vermehren. Daraufhin verkaufte die Gemeinde für die Summe von 165.000
Lire das gesamte noch vorhandene Eisenmaterial aus den Werken „San
Sebastiano“, „Sommo“ und „Sommo Alto“ an den o.a.
Abbruchunternehmer und gestattete ihm die Demolierung der Werke. Mittels
Dynamit wurden die Werksdecken und die Wände mit den eingebauten
Panzerschilden gesprengt, die Eisenteile ausgebaut und abtransportiert.
Aber über den Erlös aus diesem Geschäft konnte die Gemeinde Folgaria
nicht allein verfügen. Die faschistische Partei forderte und erhielt
einen beträchtlichen Teil des Geldes für Stiftungen zur Errichtung
eines Hauses des Faschismus, zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten, die
die Partei eingegangen war, zum Kauf von Uniformen für die Jungen
Faschisten usw. Die Gemeinde selbst finanzierte mit dem Rest der
Verkaufssumme ein Schulzentrum, stiftete Heiratsprämien zu Gunsten
armer, junger Leute der Gemeinde und förderte den örtlichen
Arbeiterunterstützungsverein. Gleiches
geschah auch auf der Hochfläche von Lavarone. Die Gemeinde Lusern
kaufte das gleichnamige Werk am 03. Juni 1935 dem italienischen Staat ab
und erteilte bereits am 16. des gleichen Monats dem Abbruchunternehmen
Mondini aus Trient die Genehmigung zur Zertrümmerung des Werkes. Da
auch Ortsansässige am Abbruch beteiligt wurden, kehrte in der unter den
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise leidenden Gemeinde Lusern ein
gewisser Wohlstand ein, der aber nicht lange anhielt. Auch
die Werke „Verle“ und „Cima die Vezzena“ wurden demoliert. Nur
das Werk „Gschwent“ blieb von der Zertrümmerung verschont.
Angeblich hatte König Viktor Emanuel III. seinerzeit den Hochflächen
einen Besuch abgestattet und angesichts des guten
Erhaltungszustandes den Wunsch ausgedrückt, ihm das tragische
Ende der anderen Werke zu ersparen, ein Wunsch, dem offensichtlich
nachgekommen wurde. 1954
kaufte die Familie Oseli aus Lavarone das Werk „Gschwent“ der
Gemeinde ab und richtete darin ein kleines, recht informatives Museum
ein. Sogar die gleichfalls der Demontage zum Opfer gefallenen drei
Panzerkuppeln der Geschütztürme wurden originalgetreu in Beton
nachgegossen, so dass das Werke auch heute noch - zumindest äußerlich
- einen nachhaltigen Eindruck von der Kunst der k.u.k. Festungsbauer
vermittelt. Mit
Unterstützung der Autonomen Provinz Trient, der Region Trentino-Südtirol
und der österreichischen Vereinigung der Kaiserjäger kaufte die
Gemeinde Lavarone das Werk „Gschwent“ 1996 zurück und unterzog es
einer Generalsanierung. Im Werk selbst befindet sich eine auf den
neuesten Stand gebrachte historische Dauerausstellung über den Ersten
Weltkrieg, die die Ortsgeschichte mit den Ereignissen und der
allgemeinen Entwicklung des Krieges zu verbinden weiß. Es bereichert
die regionale Museumslandschaft und trägt aus dem Blickwinkel und im
Lichte der Erfahrung unserer Tage recht gut zu der Erkenntnis bei, dass
jener Krieg - wie alle Kriege - unmenschlich und im Grunde nutzlos war. Ab
dem Jahre 1990 hat man damit begonnen, bei den anderen Werken auf den
Hochflächen den bei der Demolierung entstandenen Schutt zu beseitigen,
die Ruinen von der sie überwuchernden Vegetation zu befreien und
einzelne Teile der Anlagen, soweit dies ihr Zustand z Nachwort Karl
Lipscher hatte für sein Monumentalwerk über die k.u.k.
Reichsbefestigungen auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria im
Ersten Weltkrieg ein Nachwort geschrieben, das für unser heutiges Verständnis
vielleicht ein wenig zu schwülstig klingt, das aber sicherlich den
Geist widerspiegelt, mit dem die damalige Generation gedacht und
gehandelt hat. Ich habe es daher unverändert als Abschluss des 1. Teils
dieses Buches übernommen. In
dem großen Geschehen auf Lavarone-Folgaria und darüber hinaus war die
Artillerie immer der bis in den Tod getreue Kampfgefährte ihrer
Schwesterwaffe, gleichviel, ob sie ihnen im Angriff zum Siege verhalf
oder in der Verteidigung die feindlichen Sturmkolonnen zu Boden zwang
oder im Rückzug die weichenden Bataillone vor dem äußersten Mißgeschick
- der Vernichtung - bewahrte. Und gerade im Unglück zeigte sich die österr.-ungar.
Artillerie immer in vollster Größe. Sie
war groß, als sie bei Aspern entscheidend mithalf, dem großen
Schlachtenkaiser Napoleon den Nimbus der Unbesiegbarkeit zu nehmen. Sie
war aber noch viel größer, als sie bei Königgrätz das zertrümmerte
Heer vor dem Untergang rettete. Und sie war es auch im letzten großen
Kriege, den die alte Donaumonarchie zu führen hatte. Wieviel herrliche
Leistungen wurden auch auf Lavarone und Folgaria von der
Festungsartillerie vollbracht; Leistungen im Verborgenen, von denen
niemand sprach, die niemand anerkannte, die kein Pressebericht rühmte,
die einfach pflichtgemäß getan wurden und nicht nach Anerkennung
heischten. Bescheidenheit
war überhaupt einer der hervorstechenden Wesenszüge der einstigen österr.-ungar.
Artillerie immer gewesen. Bescheidenheit wurde ihr im Laufe der
Jahrhunderte fast systematisch anerzogen und nicht selten leider bis zur
Resignation gesteigert. Sie war bescheiden als Waffe, wo man an ihr zu
allen Zeiten und in erster Linie schon mehr als möglich knauserte; sie
war bescheiden im Hinblick auf ihre Stellung im Rahmen der gesamten
Streitkräfte, wo man ihren Wert erst im Gewühle der Schlacht zu würdigen
lernte; bescheiden war auch jeder Einzelne in Bezug auf seine militärische
Laufbahn, Einsatzfreudigkeit und seinen Mut. Und
noch einiger anerkannte Helden möge im Nachwort gedacht werden. Auch
die beste Batterie war kampfunfähig, wenn die Mägen der Kanoniere leer
blieben, die Geschütze und deren technische Einrichtungen nicht mehr
funktionierten und sich niemand um den Munitionsnachschub, um die
Gesundheit von Mensch und Tier kümmerte, die Bekleidung und Ausrüstung
zu Fetzen wurde. Unverdrossen
und opferfreudig arbeiteten Soldaten zweiter Klasse an der Kampffront,
meist unter elendsten Bedingungen, Tag und Nacht, um den Bedürfnissen
der Besatzungen und der Werke gerecht zu werden. Da gab es keine
behaglichen Kasematten, keine komfortablen Küchen, Ambulatorien und Krankenzimmer, keine pompösen
Schlossereien oder Schmieden, besonders ausgestattete Kasematten für
Offiziere und die innere Werksverwaltung. In den stickigen, muffligen
und immer feuchten Kasematten, jahraus, jahrein zusammengepfercht auf
einem armseligen Pritschenlager, Schimmel wohin man blickte und was man
angriff, dazu im Sommer Tausende und Abertausende von Fliegen, die den
Werksbesatzungen zur Qual wurden. Das
waren die Stätten und die Behausung, ganz gleich, ob Offizier oder
Artillerist, Köche, Sanitätspersonal, Schmiede und Artillerieschlosser
und die unermüdlichen, ausgemergelten Trägerkolonnen arbeiteten und
hausten. Dauernd lagen ihre Arbeitsstätten und Nachschubwege unter
Feuer und erinnerten sie an den Tod, der stündlich nicht nur den
Werksbesatzungen, sondern auch jenen, die sich im Gefolge der
Kampftruppe befanden, drohte. Auch der Frontsoldat hatte - wenn auch
selten - seine freie Stunde, in der er ausnahmsweise nicht um die nächste
Stunde bangen mußte. So mancher dieser braven Nichtgenannten und
Unbekannten hat bei seiner schweren Arbeit - man gedenke dabei besonders
der Trägerkolonnen - seinen Tod gefunden. Den
Werksbesatzungen, die ein gütiges Schicksal die Heimat wiedersehen ließ,
sei an dieser Stelle ein ganz bescheidenes Ehrenmal gesetzt. Ohne ihrem
vorbildlichen Wirken, ohne ihrer Geduld im Ertragen von Leiden ohne Ende
und ohne ihren Opfermut wäre das Land Tirol nicht vor dem Zugriff des
Feindes zu retten gewesen. Die
einstige österr.-ungar. Artillerie ist nicht mehr! Ihr Leib ist tot,
all ihr Heldentum und ihre gebrachten Opfer waren umsonst gewesen. Ihr
Geist aber, der im Kampf mit dem treulosen Verbündeten am Isonzo wie in
Schnee und Eis der Alpen, den Welschen siegreich die Stirne geboten
hatte und sie mit eiserner Faust bis an den Piave trieb, „E r s i e g t e.“
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