Erfahrungen aus den Festungskämpfen

Lavarone und Folgaria

 

Kriegstagebuch  des Werkskommandanten 

Entnommen aus dem Roman 
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

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Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist
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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

Aus den Berichten, die nach siebenmonatiger schwerster Beschießung aller in Tirol und Kärnten im Feuer gestandenen permanenten Werke an die Abteilung VIII des k.u.k. Kriegsministeriums in Wien erstattet wurden, kann man äußerst wertvolle Hinweise über die Stärken und Schwächen der modernen Werke entnehmen.  

Was die bombensicheren Eindeckungen und Einbauten angeht, vertraten die Berichterstatter die Auffassung, dass große, einheitliche Anlagen nicht mehr zeitgemäß sind und verlangten eine weitestgehende Zerlegung, also kleinere, auseinander gezogene, untereinander durch schusssichere Poternen verbundenen Hohlbauten. Wo immer nur möglich, sollen aber an Stelle von Betonbauten Felskavernen angelegt werden, was im standfesten Boden des Alpengebietes auch durchaus möglich erscheint. Bei Felsüberlagerungen forderten sie eine Deckenstärke von 10 bis 15 m, bei Erdboden eine solche von mindestens 20 m. Die Eindringungstiefe der österr. 30,5 cm-Granate betrug 8 bis 10 m, wozu noch der Explosionshalbmesser kam.  

Die Widerstandsfähigkeit der Betondecken hing ganz wesentlich von der Güte des verwendeten Materials ab. Beim Bau der Tiroler Werke war vereinzelt ein verhältnismäßig zu magerer Beton verwendet worden. Gefordert wurden je nach Qualität des Betons Deckenstärken von 3 bis 4 m. Die Meinungen über die Deckenoberflächen waren geteilt. Von einer harten Abpflasterung (z.B. mit Granitsteinen) wurde ein zerschellen der auftreffenden Geschosse erwartet, von einer elastischen Oberschicht (30 bis 50 cm Erde oder Asphaltroherde) ein Schliefen der Geschosse. Die Untersicht aller Betongewölbe sollte mit Wellblech verkleidet werden. Betondecken mit Drahteinlagen (Eisenbetondecken) wurden abgelehnt.  

Ein sehr schwieriges Kapitel stellte die Trockenhaltung der Kasematten und der sonstigen Hohlräume dar, weil Beton bis zu einem gewissen Grade immer, besonders aber nach schwerem Beschuss, infolge der dabei auftretenden Risse wasserdurchlässig ist. Alle Decken waren in Friedenszeiten mit einer gestrichenen Blechhaut überzogen, die aber während des Beschusses in kürzester Zeit weggeblasen war. Blieb ein Werk in Friedenszeit noch halbwegs trocken, so war dies spätestens während des Krieges nicht mehr der Fall. Die Klagen über die ungesunde Feuchtigkeit in den Werken war allgemein. Fritz Weber, Artillerieoffizier im Werk „Verle“, schrieb in seinem Buch „Das Ende der Armee“ über den Zustand der Anlage im September 1915: 

Durch die zerrissenen Eindeckungen rinnt Wasser, wir schlafen unter Zeltblättern, die mit Draht und Stangen an der Decke befestigt sind. Täglich gehen zwei, drei Leute mit Typhus ins Spital. Eine seltsame Darmerkrankung tritt auf. Sie beginnt mit Krämpfen und endet als Blutdurchfall; die Befallenen magern in wenigen Tagen zu Skeletten ab und erholen sich nur langsam. Der Genuß von ungekochtem Wasser wird verboten, aber auch das nützt nichts. Es handelt sich um Vergiftungen durch Pikrinsäure, die aus den vielen zerschellten Blindgängern, deren Sprengladung vom Regenwasser aufgelöst wird und in die Zisterne sickert. Wie wir die Zisterne auspumpen und untersuchen, ist ihr Boden mit gelbem Schlamm bedeckt...  “ .   Zur  Abhilfe  wurden  entweder  an  die  Profilträger  mit Draht  gefasste Schutzdächer aus Dachpappe angehängt oder eigene Bretterdächer, mit Dachpappe überzogen, in den Kasematten aufgestellt. Diese Provisorien wurde später durch solide, an die Deckenträger gehängte Wellblechkonstruktionen ersetzt.  

Sprengtrichter auf den Werksdecken wurden anfangs mit Bündeln aus frischem Prügelholz, Sand- und Schottersäcken oder Betontrümmern meist während der Nacht oder bei unsichtigem Wetter zugemacht. Als der Zementnachschub klappte, wurden die Sprengtrichter nur mit schnell abbindendem Zement, gemischt mit kleinen Betontrümmern, ausgefüllt. Risse und Sprünge in den Werksdecken wurden mit dünnem Zement ausgegossen. Um die Auftreffenergie der 28 cm- und 30,5 cm-Granaten zu vermindern und die heransausenden Geschosse aus ihrer Flugbahn zu bringen, damit diese mit einem flacheren Einfallswinkel aufschlugen, erhielten die Decken der Werke „Verle“, „Lusern“ und „Gschwent“ zwischen der I. und der II. Schussperiode eine aufgepackte Schotterschicht in Drahtschanzkörben von ca. 1 m Höhe, die sich sehr gut bewährte. Im Dauerbeschuss mit schweren 30,5 cm-Bomben wurden diese Auflagen infolge der großen Explosionswucht allerdings nach und nach abgeräumt, haben aber in der ersten Zeit ihres Bestandes zur Milderung des Auftreffchoks sehr gute Dienste geleistet.  

Die stählernen, schusssicheren Fensterblenden haben im allgemeinen entsprochen, obwohl diese einige Male durch schwere Sprengstücke, wie des öfteren vorgekommen Geller oder Abpraller (Geschoßböden, -spitzen) durchschlagen worden sind. Eintrag im Werktagebuch von „Lusern“ am 15.08.1915:
„...Eine im Kehlgraben die Kontereskarpe treffende 28 cm-Bombe gellte ab, durchschlug als Geller mit dem Bodenstück voran die Stahlblende des Fensters mit einem ca. 50 cm im Durchmesser großen Loch und detonierte im Wachlokal. Im Lokal alles zertrümmert, ein wüster Haufen. Durch die Detonation wird auch die Decke des Wachlokals zum Obergeschoß durchschlagen und ein 52 kg Sprengstück hineingeschleudert. Im Wachlokal war die dort diensttuende Mannschaft, 1 Unteroffizier und 8 Mann, auf der Stelle tot. In der Kasematte im Obergeschoß gab es durch das durchschlagende Bodenstück der 28 cm-Granate 3 Tote und vier Schwerverletzte...“
 

Als sehr unangenehm erwies sich der Mangel einer halbwegs gesicherten Nachschubmöglichkeit für die wochenlang unter schwerster Feuerwirkung stehenden Werke und ihrer Umgebung. Was da an Wage- und Opfermut durch die mit der technischen Abwehr und mit der Heranbringung des sehr umfangreichen Baumaterials befassten leitenden und ausführenden Organe aufgebracht werden musste, ist ein Kapitel für sich. Aus den Tagebuchaufzeichnungen kann man ersehen, welche großen und schmerzlichen Opfer die nimmermüden Trägerkolonnen der Landsturmarbeiter zu tragen hatten, um allen Bedürfnissen der Werke gerecht zu werden. Eintrag im Kriegstagebuch vom Werk „Verle“ am 21.08.1915: 
„...Unser Lazarettraum ist derzeit überfüllt mit Verwundeten, an deren Abtransport derzeit nicht mehr zu denken ist, da ja die Werksstraße nicht mehr existiert und ein wüstes Feld von Sprengtrichtern aller Kaliber ist. Die in Arbeit befindliche Poterne ist noch nicht soweit fertig, um für den Abschub der Verwundeten benützt werden zu können. Unsere Totengruft ist überfüllt, trotzdem wir alle zwölf Metallsärge mit je drei Toten angefüllt haben. Jeder freie Zwischenraum wird mit Gefallenen ausgefüllt. Es ist dies ein trauriges Bild, wie wir unseren tapferen gefallenen Kameraden die letzte Ehre erweisen müssen...“ Und im Kriegstagebuch des Werks „Lusern“ steht unterm 22.08.1915: „...Gestern Nacht hatten (wir) drei Tote und vier Verwundete unserer Trägerkolonnen zu beklagen, die bei einem Feuerüberfall der Costesinbatterie von einer Schrapnellage erwischt worden waren...“
 

Es erwies sich daher als zwingend erforderlich, den Zugang zu den Werken auch während der  intensivsten  Beschießung  sicherzustellen. Bei den Werken „Verle“, „Lusern“, „San Sebastiano“, „Sommo“ und „Serrada“ wurden daher tunnelartige, von der Seite und von rückwärts heranführende Verbindungen (Felspoternen) geschaffen, mit deren Herstellung man noch im Sommer 1915 begann und die bis zum Herbst des gleichen Jahres fertig gestellt waren.  

Als weiterer Erfahrungssatz hatte sich ergeben, dass für jeden überirdisch gelegenen, durch feindliches Feuer stark beschädigten Kampf- oder Ruheraum bzw. für entsprechende Verbindungen rechtzeitig möglichst in gewachsenem Fels gelegene Kavernen und Poternen zu bohren und auszusprengen sind. Das sich daraus ergebende zwingende Erfordernis war das Vorhandensein einer Bohrmaschine in jedem größeren fortifikatorischen Objekt.  

    Völlig unzureichend waren in allen Werken die Be- und Entlüftungseinrichtungen. Die mit händisch zw. durch Motoren zu betreibenden Ventilatoren waren viel zu schwach. Bereits in den ersten Stunden der Beschießung mit schweren Kalibern hatten sie sich als vollkommen unbrauchbar erwiesen. Alle Luftansaugleitungen erhielten ihre Frischluft aus dem Kehlgraben. Dort detonierende Granaten verpesteten mit ihren giftigen Explosionsgasen die Luft in dem engen Kehlgraben und wurden von den Ventilatoren in das Werk gedrückt. Ganz besonders bedurften die Küchen und die Maschinenräume ausgiebigster Ventilierung, da sonst ein Aufenthalt in diesen Räumen unmöglich war. Es wurde daher verlangt, Frischluft über eigene Stollen zuzuleiten

Beanstandet wurde sowohl von der Werksbesatzung als auch von den Fortifikateuren die mangelnde Wohnlichkeit der Unterkünfte, eine Folge der übertriebenen Sparsamkeit. Hohe Gänge, luftige Unterkunftskasematten, praktisch eingerichtete Küchen mit Vorrats- und Kühlräumen, Wäscherei, Toilettenanlagen, Maroden- und Krankenzimmern, kurzum alles Erforderliche zur Befriedigung der vom Frieden her gewohnten Bedürfnisse sollten auch in den Werken vorhanden sein.  

Viele dieser Forderungen und Vorschläge wurden übrigens damit begründet, dass sie von den Deutschen in ihren großzügiger ausgestatteten Festungen bereits berücksichtigt worden seien.  

Die Diskussion über die Erfahrungen mit den k.u.k. Werken dauerte bis in die Vierzigerjahre des vorigen Jahrhunderts an. Noch im April 1941 musste der mittlerweile bis zum Generalleutnant aufgestiegene ehemalige k.u.k. Hauptmann des Geniestabes Schneider 19 Fragen betreffend die Erfahrungen der österreichischen Festungskämpfe beantworten.

 

 

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