Erfahrungen aus den Festungskämpfen Lavarone und Folgaria
Kriegstagebuch des Werkskommandanten Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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Aus
den Berichten, die nach siebenmonatiger schwerster Beschießung aller in
Tirol und Kärnten im Feuer gestandenen permanenten Werke an die
Abteilung VIII des k.u.k. Kriegsministeriums in Wien erstattet wurden,
kann man äußerst wertvolle Hinweise über die Stärken und Schwächen
der modernen Werke entnehmen. Was
die bombensicheren Eindeckungen und Einbauten angeht, vertraten die
Berichterstatter die Auffassung, dass große, einheitliche Anlagen nicht
mehr zeitgemäß sind und verlangten eine weitestgehende Zerlegung, also
kleinere, auseinander gezogene, untereinander durch schusssichere
Poternen verbundenen Hohlbauten. Wo immer nur möglich, sollen aber an
Stelle von Betonbauten Felskavernen angelegt werden, was im standfesten
Boden des Alpengebietes auch durchaus möglich erscheint. Bei Felsüberlagerungen
forderten sie eine Deckenstärke von 10 bis 15 m, bei Erdboden eine
solche von mindestens 20 m. Die Eindringungstiefe der österr. 30,5
cm-Granate betrug 8 bis 10 m, wozu noch der Explosionshalbmesser kam. Die
Widerstandsfähigkeit der Betondecken hing ganz wesentlich von der Güte
des verwendeten Materials ab. Beim Bau der Tiroler Werke war vereinzelt
ein verhältnismäßig zu magerer Beton verwendet worden. Gefordert
wurden je nach Qualität des Betons Deckenstärken von 3 bis 4 m. Die
Meinungen über die Deckenoberflächen waren geteilt. Von einer harten
Abpflasterung (z.B. mit Granitsteinen) wurde ein zerschellen der
auftreffenden Geschosse erwartet, von einer elastischen Oberschicht (30
bis 50 cm Erde oder Asphaltroherde) ein Schliefen der Geschosse. Die
Untersicht aller Betongewölbe sollte mit Wellblech verkleidet werden.
Betondecken mit Drahteinlagen (Eisenbetondecken) wurden abgelehnt. Ein sehr schwieriges Kapitel stellte die Trockenhaltung der Kasematten und der sonstigen Hohlräume dar, weil Beton bis zu einem gewissen Grade immer, besonders aber nach schwerem Beschuss, infolge der dabei auftretenden Risse wasserdurchlässig ist. Alle Decken waren in Friedenszeiten mit einer gestrichenen Blechhaut überzogen, die aber während des Beschusses in kürzester Zeit weggeblasen war. Blieb ein Werk in Friedenszeit noch halbwegs trocken, so war dies spätestens während des Krieges nicht mehr der Fall. Die Klagen über die ungesunde Feuchtigkeit in den Werken war allgemein. Fritz Weber, Artillerieoffizier im Werk „Verle“, schrieb in seinem Buch „Das Ende der Armee“ über den Zustand der Anlage im September 1915: „Durch
die zerrissenen Eindeckungen rinnt Wasser, wir schlafen unter Zeltblättern,
die mit Draht und Stangen an der Decke befestigt sind. Täglich gehen
zwei, drei Leute mit Typhus ins Spital. Eine seltsame Darmerkrankung
tritt auf. Sie beginnt mit Krämpfen und endet als Blutdurchfall; die
Befallenen magern in wenigen Tagen zu Skeletten ab und erholen sich nur
langsam. Der Genuß von ungekochtem Wasser wird verboten, aber auch das
nützt nichts. Es handelt sich um Vergiftungen durch Pikrinsäure, die
aus den vielen zerschellten Blindgängern, deren Sprengladung vom
Regenwasser aufgelöst wird und in die Zisterne sickert. Wie wir die
Zisterne auspumpen und untersuchen, ist ihr Boden mit gelbem Schlamm
bedeckt... “ .
Zur
Abhilfe wurden
entweder an
die Profilträger
mit Draht gefasste
Schutzdächer aus Dachpappe angehängt oder eigene Bretterdächer,
mit Dachpappe überzogen, in den Kasematten aufgestellt. Diese
Provisorien wurde später durch solide, an die Deckenträger gehängte
Wellblechkonstruktionen ersetzt. Sprengtrichter
auf den Werksdecken wurden anfangs mit Bündeln aus frischem Prügelholz,
Sand- und Schottersäcken oder Betontrümmern meist während der Nacht
oder bei unsichtigem Wetter zugemacht. Als der Zementnachschub klappte,
wurden die Sprengtrichter nur mit schnell abbindendem Zement, gemischt
mit kleinen Betontrümmern, ausgefüllt. Risse und Sprünge in den
Werksdecken wurden mit dünnem Zement ausgegossen. Um die
Auftreffenergie der 28 cm- und 30,5 cm-Granaten zu vermindern und die
heransausenden Geschosse aus ihrer Flugbahn zu bringen, damit diese mit
einem flacheren Einfallswinkel aufschlugen, erhielten die Decken der
Werke „Verle“, „Lusern“ und „Gschwent“ zwischen der I. und
der II. Schussperiode eine aufgepackte Schotterschicht in Drahtschanzkörben
von ca. 1 m Höhe, die sich sehr gut bewährte. Im Dauerbeschuss mit
schweren 30,5 cm-Bomben wurden diese Auflagen infolge der großen
Explosionswucht allerdings nach und nach abgeräumt, haben aber in der
ersten Zeit ihres Bestandes zur Milderung des Auftreffchoks sehr gute
Dienste geleistet. Die
stählernen, schusssicheren Fensterblenden haben im allgemeinen
entsprochen, obwohl diese einige Male durch schwere Sprengstücke, wie
des öfteren vorgekommen Geller oder Abpraller (Geschoßböden,
-spitzen) durchschlagen worden sind. Eintrag im Werktagebuch von
„Lusern“ am 15.08.1915: Als
sehr unangenehm erwies sich der Mangel einer halbwegs gesicherten
Nachschubmöglichkeit für die wochenlang unter schwerster Feuerwirkung
stehenden Werke und ihrer Umgebung. Was da an Wage- und Opfermut durch
die mit der technischen Abwehr und mit der Heranbringung des sehr
umfangreichen Baumaterials befassten leitenden und ausführenden Organe
aufgebracht werden musste, ist ein Kapitel für sich. Aus den
Tagebuchaufzeichnungen kann man ersehen, welche großen und
schmerzlichen Opfer die nimmermüden Trägerkolonnen der
Landsturmarbeiter zu tragen hatten, um allen Bedürfnissen der Werke
gerecht zu werden. Eintrag im Kriegstagebuch vom Werk „Verle“ am
21.08.1915: Es
erwies sich daher als zwingend erforderlich, den Zugang zu den Werken
auch während der intensivsten
Beschießung sicherzustellen.
Bei den Werken „Verle“, „Lusern“, „San Sebastiano“, „Sommo“
und „Serrada“ wurden daher tunnelartige, von der Seite und von
rückwärts heranführende Verbindungen (Felspoternen) geschaffen, mit
deren Herstellung man noch im Sommer 1915 begann und die bis zum Herbst
des gleichen Jahres fertig gestellt waren. Als
weiterer Erfahrungssatz hatte sich ergeben, dass für jeden überirdisch
gelegenen, durch feindliches Feuer stark beschädigten Kampf- oder
Ruheraum bzw. für entsprechende Verbindungen rechtzeitig möglichst in
gewachsenem Fels gelegene Kavernen und Poternen zu bohren und
auszusprengen sind. Das sich daraus ergebende zwingende Erfordernis war
das Vorhandensein einer Bohrmaschine in jedem größeren
fortifikatorischen Objekt. Beanstandet
wurde sowohl von der Werksbesatzung als auch von den Fortifikateuren die
mangelnde Wohnlichkeit der Unterkünfte, eine Folge der übertriebenen
Sparsamkeit. Hohe Gänge, luftige Unterkunftskasematten, praktisch
eingerichtete Küchen mit Vorrats- und Kühlräumen, Wäscherei,
Toilettenanlagen, Maroden- und Krankenzimmern, kurzum alles
Erforderliche zur Befriedigung der vom Frieden her gewohnten Bedürfnisse
sollten auch in den Werken vorhanden sein. Viele
dieser Forderungen und Vorschläge wurden übrigens damit begründet, dass
sie von den Deutschen in ihren großzügiger ausgestatteten Festungen
bereits berücksichtigt worden seien. Die Diskussion über die Erfahrungen mit den k.u.k. Werken dauerte bis in die Vierzigerjahre des vorigen Jahrhunderts an. Noch im April 1941 musste der mittlerweile bis zum Generalleutnant aufgestiegene ehemalige k.u.k. Hauptmann des Geniestabes Schneider 19 Fragen betreffend die Erfahrungen der österreichischen Festungskämpfe beantworten.
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