Das erste Kriegsjahr auf den Hochflächen von 
Lavarone und Folgaria

Entnommen aus dem Roman 
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

Schon anfangs August zweifelte man in Wien an der Dauerhaftigkeit der von Italien zu Kriegsbeginn mit Rußland und Serbien erklärten Neutralität. Bevor das k.u.k. Armeekommando Mitte August Wien verließ, leitete es noch Maßnahmen zur Abwehr eines von dem schon höchst unverlässlichen italienischen Verbündeten etwa versuchten Angriffs ein. General der Infanterie Conrad von Hötzendorf, der Generalstabschef der Donaumonarchie und seit jeher von größtem Misstrauen gegen Italien erfüllt, urteilte damals, dass „es ganz im Geiste italienischer Mentalität“ läge, „jetzt, da Österreich-Ungarn im Nordosten und auf dem Balkan schwer bedroht war, den bisherigen, klug getäuschten Bundesgenossen skrupellos von rückwärts anzufallen.“ Deshalb beauftragte der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich am 13. August 1914 den General der Kavallerie Franz Rohr, „die Reichsverteidigung an unserer Südwestgrenze unter den jetzt gegebenen Verhältnissen zu studieren, vorzubereiten und der jeweiligen Lage entsprechend zu organisieren.  

Schon am 14. August 1914 war der Ausrüstungsbefehl beim Militärkommando in Innsbruck (Feldmarschallleutnant v. Können-Horák) eingetroffen und man begann sofort mit den Ausrüstungsarbeiten, d.h. die Festungen Trient und Riva wurde in den vollen Verteidigungszustand versetzt und sämtliche Sperren nach den im Frieden vorbereiteten Plänen besetzt. Das Militärkommando verfügte Ende August 1914 nur über das Tiroler Landsturmregiment Nr. I (3 Bataillone), das als Festungsbesatzung in Verwendung stand und über die 12. Landsturmbrigade (6 Bataillone) sowie über die aus Landesschützen-Detachements und Festungsartilleristen bestehenden kleinen Sperrbesatzungen.  

Dann kam die Zeit der diplomatischen Verhandlungen über die Kompensationswünsche des italienischen Bundesgenossen. Immer noch hegte man Hoffnungen, dass dem bedrängten Habsburger Reich der Waffengang im Südwesten der Monarchie erspart bleiben würde. Es entstand ein Auf und Ab der Meinungen, das sich unvorteilhaft auf die planmäßige Vorbereitung der zu treffenden Abwehrmaßnahmen auswirkte. Der Bundesgenosse sollte ja nicht mutwillig gereizt werden. Lange, viel zu lange zögerte man in Wien, entscheidende Maßnahmen zur Grenzverteidigung zu treffen.  

Als Italien am 23. Mai 1915 der Donaumonarchie den Krieg erklärte, verfügte das mit der Verteidigung Tirols beauftragte Landesverteidigungskommando in Innsbruck lediglich über 21 Infanteriebataillone (12.000 Gewehre) und 5 Infanteriebesatzungsbataillone. Dazu kamen die Standschützen: 47 Bataillone deutscher Nationalität mit 15.944 Mann und 44 welschtiroler Formationen (Bataillone, Kompanien, Abteilungen) mit 6.331 Mann. Für die Besetzung der Sperren standen 12 Landesschützen-Detachements, 37 Festungsartillerie- und 3 Sappeurkompanien zur Verfügung. Der Artilleriepark bestand aus 146 mobilen und 539 Festungsgeschützen.  

Die Verteidigung der einzelnen Sperrwerke befand sich mit den Detachements der Tiroler Landesschützen, einer Elitetruppe, und den Festungsartilleristen in besten Händen. Den letzteren fiel mit der Werksartillerie und den hinter Panzer stehenden Maschinengewehren die Hauptaufgabe der Sicherungsbesatzung der Werke zu.  

Über den Kampfwert der Sperren selbst hat sich Otto Ellison, Freiherr von Nidlef, ein Artillerie-Stabsoffizier, folgendermaßen geäußert:  

1. Die vor dem Jahre 1873 erbauten Blockhäuser waren wertlos.  

2. Die aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts stammenden Panzerwerke würden den italienischen 15 cm-Belagerungskanonen und der 21 cm-Belagerungshaubitzen nur kurze Zeit,  

3. die um die Jahrhundertwende gebauten Werke den genannten Geschützen nicht auf Dauer widerstehen können.  

4. Die Werke am Tonalepass, Cariola bei Lardaro, und die Werke auf der Hochfläche von Lavarone und Folgaria würden dagegen auch schwerster Artillerie dauernd Widerstand entgegensetzen können.  

In den älteren Werken wurden daher die Geschütze ausgebaut und im umliegenden Gelände aufgestellt. Dort blieb ihre Feuerkraft länger erhalten, während die desarmierten Werke als Scheinbauten die italienischen Artilleristen dazu veranlassten, ihre kostbare Munition zu verschwenden.  

Als das Halbinsel-Königreich der Monarchie am 23. Mai 1915 den Krieg erklärte, hatte das italienische Heer noch nicht die volle Kriegsbereitschaft erreicht. Die Angriffspläne aber standen fest: Offensive mit zwei Armeen, der 2. und der 3., gegen den Isonzo, Angriff der Karnische Gruppe aus dem Abschnitt Monte Peralba-Monte Maggiore gegen die Kärntner Sperren, Vorstoß der 4. Armee nach Bezwingung der Ostgruppe der Tiroler Sperren in das Pustertal bei Toblach, während die 1. Armee den Südtiroler Balkon in weitem Bogen vom Cismontal bis zum Stilfser Joch umschließen und nicht nur während der Versammlungszeit, sondern auch, solange die 4. Armee vom Cadore aus gegen Toblach operierte, in strategischer Defensive zu verharren hatte. Teilangriffe durfte sie nur führen, um den Schutz der Grenze besser zu gewährleisten und um, falls es ging, auch gegnerisches Gebiet zu besetzen.  

Scharf tritt also die Bedeutung hervor, die der Gegner den k.u.k. Befestigungen beimaß. Ihr Einfluss war jedoch nur auf die Kämpfe bis zum Frühjahr 1916 von maßgeblicher Bedeutung. Danach beteiligten sich die desarmierten Werke in anderer, modernerer Form an den Kampfhandlungen als die intakt gebliebenen Werke.  

Die stärksten Anstrengungen der Italiener galten - wie nicht anders zu erwarten - den Hochflächen von Lavarone und Folgaria, wo die Mehrzahl der Werke die durchlaufende Widerstandslinie als feste, unbezwingbare Stützpunkte verstärkte; lediglich die Werke „San Sebastiano“ und „Sommo“ lagen anfangs vor der eigentlichen Widerstandslinie.  

Wenige Stunden nach der Kriegserklärung begann eine sechstägige Beschießung der Lavaronewerke und des Werks „Serrada“ mit 28 cm-, 21 cm- und 14,9 cm-Granaten. Alle versuchten Durchbrüche im Raum der Werke Cima di Vezzena-Verle-Lusern brachen aber an der prachtvollen  Haltung  der  Tiroler   Landstürmer  und  Standschützen   zusammen,  wobei  die

Werksartillerie das ihre zu den Abwehrerfolgen beitrug. Da die vorhandene mobile Artillerie völlig unzureichend war - es gab nur eine 10 cm Gebirgshaubitze und ein paar 9 cm-Feldkanonen - ruhte die gesamte artilleristische Verteidigung auf der Werksartillerie und deren nimmermüden Festungsartilleristen. Die italienischen 21cm- und 28 cm-Geschütze vereinigten ihr Feuer zumeist auf die beiden älteren Panzerwerke „Verle“ und „Lusern“, die dann auch im Juni wieder mit einem Eisenhagel überschüttet wurden. Viel weniger dagegen wurden die Werke „Gschwent“ und „Serrada“ bearbeitet. Ungeachtet all dieser Angriffe gelang es, auf der Hochfläche von Folgaria die Widerstandslinie um zwei bis drei Kilometer vorzuverlegen, so dass auch die Werke „San Sebastiano“ und „Sommo“ innerhalb des durch die Infanterie geschützten Raumes zu liegen kamen.  

In der Pause zwischen der ersten und der zweiten Beschießungsperiode wurden alle Schäden, die vor allem bei den Lavaronewerken entstanden waren, weitestgehend beseitigt. Am 15. August 1915 begann die zweite Beschießungsperiode. Unausgesetzt hämmerte der Gegner mit seinen schweren Batterien, zu denen sich mittlerweile auch eine 30,5 cm-Batterie gesellt hatten, auf die Stellungen von Lavarone los. „Cima Vezzena“ wurde in Trümmer geschossen, „Verle“ und „Lusern“ schwer beschädigt. Aber immer wieder gelang es den Verteidigern, mit Hilfe der Werksartillerie alle Anstrengungen des Gegners zunichte zu machen. Als die Italiener dennoch in den großen, feldmäßigen Stützpunkt Basson (zwischen den Werken „Verle“ und „Lusern“) eindringen konnten, begab sich der Abschnittskommandant Oberst i.G. Ellison von Nidlef in Begleitung von nur fünf Offizieren seines Stabes und einer Handvoll Schützen vor Ort, nahm 480 unverwundete und zahlreiche verwundete Italiener nebst ihrem Regimentskommandeur gefangen und beseitigte damit die schwere Krise, die zum Verlust der Lavaronestellung hätte führen können, aber für die Italiener mit einem vollkommenen Misserfolg endete. Das Ritterkreuz des Militär-Theresia-Ordens war die Belohnung für diese Tat. Die ganze Zeit über waren die Werksbesatzungen in wahrhaft todesmutiger Hingabe mit der Ausbesserung der täglich an den Werken entstehenden Beschussschäden beschäftigt. So wurden beispielsweise im Werk „Verle“ in dieser Zeit allein 75 Waggon Zement verarbeitet, von den anderen Baustoffen und Hilfsmitteln ganz abgesehen.  

Auch mit ihren Angriffen auf die Stellungen auf der Hochfläche von Folgaria hatten die Italiener keinen Erfolg. Zwar gelang es ihnen in harten Kämpfen, den Österreichern den als ausgezeichneten Beobachtungspunkt dienenden Monte Coston zu entreißen; alle Angriffe auf die Widerstandslinie aber wurden abgewehrt, örtliche Einbrüche rasch beseitigt. Infanteristische Angriffe auf die Folgariawerke selbst hingegen gab es überhaupt keine.  

Ende August konnte der Ansturm gegen die Hochflächen von Folgaria und Lavarone als abgeschlagen gelten. Der Abwehrsieg war in erster Linie der außergewöhnlichen Standhaftigkeit und der Tapferkeit der spärlichen Verteidiger zu danken. Sicherlich hatten sie ihren Erfolg aber auch dem Umstand zuzuschreiben, dass die Italiener ihre Angriffe gegen die einzelnen Ziele zu verschiedenen Zeiten unternahmen, wodurch der Verteidiger in die Lage kam, seine schwache Artillerie zur Abwehr jeweilig zusammenzufassen. Die in diesen Kämpfen gesammelten Erfahrungen führten dazu, dass das Landeverteidigungskommando die Kampfmittel nahezu aller, darunter auch einiger moderner Werke Tirols, außerhalb der Sperrforts einbauen ließ. Auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria waren davon nur die Werke „Verle“ und „Lusern“ betroffen; ihre noch intakten Turmhaubitzen wurden jeweils bis auf eine je Werk ausgebaut.  

Da es den Italienern weder artilleristisch noch im Sturm gelungen war, die Hochflächenwerke niederzuringen, versuchten sie im  Oktober  1915,  unterstützt  durch eine größere Anzahl schwerer Minenwerfer, einen regelrechten Sappenangriff gegen die linke Flanke des Werks Lusern und die sich anschließenden Infanteriestützpunkte. Aber auch dieses Verfahren führte dank der kampf- und opferbereiten Besatzung nicht zum erhofften Ziel.  

Als der äußerst strenge Winter 1915/16 jeder ernstlichen Kampftätigkeit ein Ende bereitete, hatten die Italiener auf die Hochflächenwerke von Lavarone und Folgaria etwa 25.000 Granaten der Kaliber 21 bis 30,5 cm abgefeuert. An Treffern entfielen auf die älteren, noch eng massierten Werke wie „Verle“ und „Lusern“ 65 bzw. 68 v.H., auf die bereits weiter zerlegten Werke „Gschwent“ und „San Sebastiano“ 40 bzw. 37 v.H. und auf die modernsten Werke „Sommo“ und „Serrada“ nur 10 bzw. 3 v.H.  

Großartiger, als man es je zu hoffen wagte, hatte die Werkslinie auf Lavarone und Folgaria ihren Zweck erfüllen können. Nicht zwei Monate, sondern fast auf den Tag genau zwölf war der Feind gegen sie angerannt, ohne auch nur einen Fußbreit Boden gewinnen zu können. „Cima Vezzena“ war darüber in Trümmer gegangen, „Verle“ und „Lusern“ schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Aber keinem Italiener war es gelungen, die Widerstandslinie mit der Waffe in der Hand zu überschreiten.  

Im Frühjahr 1916 aber schlug die Stunde der großen, eigenen Offensive: Zwei k.u.k. Armeen, die 3. und die 11. Armee, sollten mit gut zusammengehaltener Kraft zwischen der Etsch und der Brenta in die Tiefebene Venetiens durchbrechen. Bereits Anfang März 1916 versammelten sich die hierzu bestimmten Kräfte in Südtirol. Die befestigten Hochflächen von Folgaria und Lavarone waren das Sprungbrett für den Angriff, die Hochflächenwerke der Rahmen für das Einleitungsfeuer der Artillerie. Leider verzögerten schlechte Witterungsbedingungen - im April 1916 schneite es noch - den Angriffsbeginn. Endlich konnte am 15. Mai 1916 die österr.-ungarische Artillerie, darunter auch jene der Folgariawerke das Feuer eröffnen. Vier Stunden später schritt die Infanterie zum Angriff. In siegreichem Vordringen wurde bis Mitte Juni die Front um bis zu 30 km nach Südosten vorgeschoben. Dann aber hatte sich der Angriffsschwung tot gelaufen. Der stetig steigende italienische Widerstand und der ungünstige Ausgang der Kämpfe in Wolhynien, der die Verlegung starker Kräfte an die Nordostfront notwendig machte, führte zur Einstellung der Angriffe und zum Rückzug auf eine geeignete Verteidigungslinie.  

Für die Panzerwerke auf den Hochflächen von Folgaria und Lavarone war der Krieg zu Ende; sie lagen zu weit hinter der neuen Front, um noch in die sich anschließenden Kämpfe eingreifen zu können. Sie wurden Ende Mai 1916 einer genauen Überprüfung sowohl der passiven wie der aktiven Kampfkraft durch Organe des k.u.k. Generalgenieinspektors unterzogen. Alle Werke der Hochflächen - mit Ausnahme von „Cima di Vezzena“ - wurden 1916 wieder instand gesetzt. Zum Teil wurden in den Fels zwischen Kasemattkorpus und Batterieblock neue Kavernen gesprengt bzw. bestehende weiter ausgebaut. Nach einem Bericht des Kommandos der 11. Armee an das k.u.k. Heeresgruppenkommando, Generloberst Erzherzog Eugen, vom 04. September 1916 wurden die nunmehr weit hinter der Front liegenden Werke der Lavaronegruppe als Infanteriestützpunkte der zweiten Linie adaptiert, nachdem sie desarmiert worden waren. In „Gschwent“ beließ man eine Turmhaubitze, in „Lusern“ zwei Traditorengeschütze und ein Grabenstreichengeschütz, in „Verle“ schließlich ein Traditorengeschütz. Die Maschinengewehre wurden auf zwei je Werk reduziert. Die restlichen Trumhaubitzen (zwei waren unbrauchbar) wurden in der nunmehrigen vordersten Widerstandslinie eingebaut. Die Folgariagruppe behielt bis auf wenige Maschinengewehre die gesamte Bewaffnung, da diese Werke trotz der Offensive in der Nähe der neuen Front lagen, weshalb auch die Turmhaubitzen nicht weiter nach vorn verlegt werden mussten.

Beim Zusammenbruch der k.u.k. Armee Anfang November 1918 machten sich die Folgariawerke noch einmal bemerkbar. „Sommo“ und „Serrada“ verfeuerten die gesamte noch vorhandene Munition auf die nachrückenden italienischen Truppen und störten ihren Vormarsch empfindlich. Auch im Werk „San Sebastiano“ versuchte die Werksbesatzung, Widerstand zu leisten, was aber infolge der Desertierung eines Teils der Mannschaft misslang.

 

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