Italienische Spione gegen die österreichischen Werke Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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Obwohl
die k.u.k. Militärbehörden große Anstrengungen unternahmen, die
Errichtung der Panzerwerke auf den Hochflächen von Folgaria und
Lavarone geheim zu halten - das Gelände durfte schon in Friedenszeiten
nicht betreten werden und wurde von der Polizei streng überwacht, es
herrschte ein Fotograpierverbot und ab dem 20. Dezember 1912 gab es
sogar ein Überflugverbot für „Flugapparate jeden Typs“ - blieb den
Italienern nicht verborgen, was an der Südwestgrenze der Monarchie
passierte. Zum einen waren es die italienisch sprechenden kaiserlichen
Untertanen des Trentino, die zwischen den jeweiligen Grenzorten hin- und
herpendeln durften und in den italienischen Kasernen wertvolle
Informationen ablieferten, zum anderen waren es italienische Spione, die
in der Donaumonarchie herumreisten, bei Agenten und örtlichen
Sympathisanten übernachteten, um den lästigen Polizeikontrollen zu
entgehen, und Nachrichten sammelten. Und schließlich lagen die
Baustellen der entstehenden Werke so nahe an der italienischen Grenze, dass
sie von den umliegenden, auf italienischem Gebiet befindlichen
Grenzbergen mehr oder weniger gut eingesehen werden konnten. Obwohl
der italienische Kundschaftsdienst der Vorkriegszeit nicht sonderlich
gut organisiert war, gelang es ihm doch, eine erstaunliche Fülle von
Material über den im Entstehen begriffene Festungsgürtel zu sammeln.
Beim Eintritt Italiens in den Weltkrieg im Mai 1915 es über alle
Details einschließlich der Armierung der einzelnen Werke nahezu
umfassend informiert. Ab
dem Jahre 1909 begannen die Informationen über den Bau eines
Befestigungsgürtels auf den Hochebenen von Lavarone und Folgaria zu
fließen. Die eingehenden Mitteilungen wurden von einem aus dem Trentino
stammenden und bei der Koordinierungszentrale des italienischen
Generalstabs in Rom tätigen Offizier des 5. Alpiniregiments gesichtet,
archiviert und weitergeleitet: Aristide Manfrini. Er stammte aus der
Gegend von Rovereto und verfügte über eine Schar von Freunden und
lokalen Vertrauenspersonen, die ihn mit Informationen versorgten. Der bekannteste italienische Spion der Vorkriegszeit war Giuseppe Colpi, ein Bankbeamter aus Trient. Colpi, ein intelligenter und mutiger Irredentist, war ein leidenschaftlicher Fotograf. Um seine Tätigkeit ausüben zu können, hatte er von Rom einen Plattenfotoapparat mit Teleobjektiv erhalten. Außerdem hatte er sich aus eigenen Mitteln zwei weitere Plattenfotoapparate angeschafft. Bis zum Jahre 1909 war er unaufhörlich tätig, und Rom erhielt ganze Bündel von Dossiers über Verschiebungen der österreichischen Truppen und über militärische Güter, die auf dem Bahnhof von Trient eintrafen. Colpi beging jedoch einen unverzeihlichen Fehler, als er in der Bank 35.000 österreichische Kronen unterschlug. Der Fehlbetrag, der am 30. August 1909 entdeckt wurde, hatte eine Untersuchung und eine Durchsuchung zur Folge, der nicht nur fotografisches und dokumentarisches Material ans Tageslicht brachte, sondern auch den Versuch, einen Aufstand zugunsten des Königreichs Italien anzuzetteln. Bei der verhängnisvollen Durchsuchung seiner Wohnung fanden die österreichischen Gendarmeriebeamten 291 belichtete Platten über Befestigungsanlagen im Trentino. Giuseppe
Colpi und ein großer Kreis von ahnungslosen Freunden und Bekannten
bezahlten den schweren Fehler, ein vollständiges Spionagearchiv zuhause
aufbewahrt zu haben, mit Zuchthausstrafen; ein Fehltritt, den sich kein
Geheimagent leisten durfte. Der Fall erregte beträchtliches Aufsehen,
wurden doch nicht nur der Kundschaftsdienst in Rom in der Person des
Obersten Silvio Negri und seines Direktors, sondern auch Kaiser Franz
Josef und die italienischen und österreichischen Regierungen
hineingezogen. Die Affäre Colpi zerstörte den gesamten italienischen
Kundschaftsdienst im Trentino bis weit in das Jahr 1911 hinein, dem
Jahr, in dem er unter Entbehrungen und Misstrauen wieder neu aufgebaut
wurde. Im
Juni 1909 trafen die ersten Nachrichten von im Gange befindlichen
Bauarbeiten in der Nähe der Ortschaft Belvedere ein (Werk
„Gschwent“). Zur gleichen Zeit erhielt man Mitteilungen über die
Errichtung eines weiteren Werkes auf der Malga Cherle (Werk „San
Sebastiano“). Am 21. August berichtete ein Offizier des 6.
Alpiniregiments vom Bau der Werkstraßen auf den Sommo Alto (Werk „Sommo“)
und den Dosso del Sommo (Werk „Serrada“). Anfang Oktober 1909 gibt
es Hinweise auf laufende Bauarbeiten auf der Busa Verle (Werk
„Verle“), und auch vom Bau einer Werkstraße auf den Campo di
Luserna wird berichtet (Werk „Lusern“). In
den folgenden Jahren wurden diese Baustellen vom italienischen
Kundschaftsdienst unter ständiger Kontrolle behalten. Im Frühjahr 1910
bestätigten sich die Hinweise über den Bau der Werke „Sommo“ und
„Serrada“. Im Oktober des gleichen Jahres wusste man, dass die
Werkstraßen zu den drei Forts „San Sebastiano“, „Sommo“ und
„Serrada“ fertig sind, dass die Bauarbeiten an den beiden
erstgenannten Werke recht langsam vorankommen, nicht aber bei den
dritten, wo 600 Arbeiter und 100 Soldaten eingesetzt sind. Im
Juni 1911 wurden rasche Baufortschritte beim Werk „Gschwent“
gemeldet: Es stehe vor der Fertigstellung. Im gleichen Jahr trafen auch
die ersten Nachrichten vom Bau eines siebten Werkes auf der Cima di
Vezzena ein. Am
25. Juni 1912 ging ein Bericht ein, dass das Werk „Gschwent“ mit
seinen drei Turmhaubitzen 58 Probeschüsse auf Ziele in der Gegend des
Vezzenapasses und des Rio Tortotales abgefeuert und mit seinem mächtigen
Scheinwerfer lange und beharrlich die jenseits der Grenze liegende
Campomolonscharte und den gleichnamigen Gipfel abgesucht habe. Im
Februar 1913 fasste das Kundschaftsbüro des Generalstabs in seiner
Verlautbarung Nr. 40 die im abgelaufenen Jahr im Grenzgebiet zum
Habsburgerreich gesammelten Nachrichten zusammen und beschrieb den Ausrüstungsstand
der Werke auf der Hochfläche folgendermaßen: „Von
den insgesamt 7 Werken sind 4 derzeit feuerbereit (Sebastiano, Gschwent,
Lusern und Verle), bei 2 (Sommo und Serrada) sind die Arbeiten bereits
so weit fortgeschritten, daß auch diese Werke im Bedarfsfall im Laufe
des Jahres 1913 einsatzbereit sein werden; auf der Vezzenaspitze verrät
bereits jetzt der Stand der Bauarbeiten die Bedeutung des Werkes...“ Bis
zum Mai 1914 war es dem italienischen Generalstab schließlich gelungen,
den Stand der Bewaffnung mit hinreichender Genauigkeit zu eruieren. Im
Bericht vom Januar 1915 konnte er vermelden, dass alle Werke fertig gestellt
waren, beschrieb in groben Zügen, wie mächtig die Stahlbetondecken
waren, auf die man die Panzerkuppeln und Panzerstände gesetzt hatte und
machte für jedes Werk genaue Angaben über die Anzahl und das Kaliber
der Feuerrohre. Im
Sommer 1913 begannen die Italiener damit, Telephotographien von den im
Bau befindlichen bzw. bereits fertig gestellten Werken zu machen.
Leistungsfähig, mit meterlangen Objektiven ausgestattete Photoapparate
lieferten exzellente Plattenaufnahmen im Format 18 x 24 bzw. 13 x 18 cm.
Später wurde eine eigene Fernphotographie-Abteilung unter der Führung
von Leutnant Gismondi aufgestellt, die am 06. Juni 1915 ihre Tätigkeit
im Bereich der italienischen 1. Armee aufnahm. Ihre Aufgabe war es, von
den gegenüberliegenden feindlichen Stellungen Fernphotographien zu
machen, die ein genaues Studium der gegnerischen Abwehranlagen erlauben
sollten. Die von ihr abgelieferten Fernphotographien sind der Beweis für
ihre ausgezeichneten Arbeit. Besonders gut informiert waren die Italiener über das k.u.k. Panzerwerk „San Sebastiano“: Ein im Oktober 1915 in italienische Gefangenschaft geratener, aus dem Trentino stammender Maurermeister, der bei der Errichtung des Werkes mitgearbeitet hatte, lieferte exakte Informationen und ermöglichte es sogar, einen Grundriss des Werkes zu erstellen.
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